2. So. nach Epiphanias 15. Januar
1961
Wolfenhausen / Nellingsheim
50,1-6 O Jesu Christe
(206)
31,1-3 Wunderbarer (31)
53,7+8 Jesus ist kommen (138)
288,1+2 In dir ist Freude (129)
Jes 62,1-5
Joh 2,1-11
Liebe Gemeinde!
Sie vermag uns alle miteinander ein wenig in Verlegenheit
versetzen. Diese Geschichte von der Hochzeit zu Kana. Die einen werden sagen:
Dies ist nun doch das allerseltsamste von dem doch gewiss schon insgesamt
seltsam genugen Wundern Jesu. Was sollte sein Tun
denn hier für einen Sinn gehabt haben? Dass er hin und wieder einmal in
wunderbarer Weise eingegriffen hat, um einen Menschen aus einer besonderen
schweren Not des Leibes oder der Seele zu helfen, das mögen wir vielleicht noch
zugeben. Aber wenn bei einer Hochzeit einmal der Wein ausgeht, dann braucht man
doch nicht die Wunderkraft Gottes zu benutzen, sondern wird doch gewiss bei
einem Wirt oder Händler in der Nähe beschaffen können, was notwendig war. Ein
unnötiges Wunder also, könnte man sagen.
Und wenn wir dann weiter denken, kann es uns noch
anstößiger vorkommen, dies Wunder, welche da berichtet wird. Jeder von den
Krügen, von welchen da die Rede ist, soll zwei oder drei Maß gefasst haben – 80
oder 120 Liter und wenn wir das zusammen rechnen, kommen wir auf eine Menge von
nicht weniger als 500 bis 800 Liter Wein. Hat Jesus da nicht mit seinem Wunder
dem Laster der Trunksucht mehr Vorschub geleistet, als wir das eigentlich von
ihm erwarten sollten und dürften!
Seht, auch das ist eine Verlegenheit, in die uns diese
Geschichte hinein führt – und wir könnten noch lange weiter machen und unsere Verlegenheiten aufzählen, könnten noch lange weiter machen
und an dem herum denken, was uns da berichtet wird, und würden es
wahrscheinlich immer weniger begreifen. Viel mehr – der Evangelist, der uns die
Geschichte berichtet, der gibt uns die genaue Anweisung, wie wir sie zu
verstehen haben – nur dann begreifen wir sie, diese Geschichte, nur dann
erschließt sich uns ihr Sinn. Wie wir sie zu verstehen haben, diese Geschichte,
das ist uns im letzten Satz gesagt: „Das ist das erste Zeichen, das Jesus
tat, geschehen zu Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine
Jünger glaubten an ihn.“ So und nicht anders müssen wir verstehen, was uns da
berichtet wird. Dies, das sich Wasser in Wein verwandelt habe, das ist ein
Zeichen – keine Sache für sich, die uns etwas anginge. Seht – wir können das ja
leicht an einem Beispiel uns klar machen – wie das ist mit einem Zeichen.
Wenn wir hinaus kommen an die Kreuzung, dann haben wir da einige Wegzeiger –
Zeichen. Diese Wegzeiger für sich haben keinen Sinn, sie haben nur etwas zu
bedeuten in Verbindung mit den Orten, auf welche sie hinzeigen. Gäbe es nicht
die Ortschaften, die da aufgeschrieben sind, Rottenburg oder Ergenzingen oder Bondorf, dann
wäre es gewiss ein recht sinnloses Unterfangen, solche Zeichen auf zu stellen.
Der Witz unserer Geschichte liegt also ganz gewiss nicht darin, dass sich hier
Wasser in Wein verwandelt hat, sondern darin, dass dies, was da erzählt wird,
ein Zeichen der Herrlichkeit Christi ist. Es könnte das Zeichen auch anders
aussehen – Hauptsache es weise uns hin auf diese Herrlichkeit Jesu.
Das ist das Erste, was wir für das Verständnis unserer
Geschichte fest zu halten haben. Nicht auf das Wunder kommt es an, ob es
notwendig gewesen sei oder nicht, welchen Sinn es gehabt habe, der
Hochzeitsgesellschaft, die doch gewiss schon vorher allerhand für ihren Durst
getan hatte, nun noch einmal 500 oder 800 Liter Wein hin zu stellen – ich sage,
um all diese Fragen sollten wir einen weiten Bogen herum machen. Das wäre ja
genauso, wie wenn wir uns vor einen Wegzeiger hin stellten, und etwa daran
herum machten, ob nun die gelbe Farbe wirklich praktisch sei, oder ob wir nicht
doch lieber ein weißes oder rotes oder blaues Schild nehmen sollten – und ob
wir diesen Wegzeiger nicht lieber aus Holz als aus Metall verfertigen sollten –
und was derlei gewiss mögliche, aber doch eigentlich sehr törichte und nutzlose
Fragen mehr sein mögen. So betrachtet, das wird jeder ernsthafte Ausleger
zugeben müssen, ist diese Geschichte von der Hochzeit zu Kana tatsächlich eine
Verlegenheit. Aber aus dieser Verlegenheit, da sind wir gleich heraus, wenn wir
uns der Weisung des Evangelisten anvertrauen, uns zeigen lassen, dass es sich
hier eben um ein Zeichen handelt, das seinen Wert und seine Wichtigkeit ganz
gewiss nicht in sich selber hat, sondern darin, dass es eben hinweist auf die
Herrlichkeit Jesu!
Freilich – warum das? Seht, auch hier mag uns noch einmal
unser Bild des Wegzeigers dienlich sein. Man braucht ihn, dieses Wegzeiger, auf
welchem beispielsweise Horb steht oder Freudenstadt. Der braucht ihn, welcher
dort hin will, und doch seines Weges nicht so ganz sicher ist. So ist es auch
mit diesem Zeichen, dem ersten Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in
Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit. Seht – nur für den hat dies Zeichen
seinen –Wert, welcher wirklich diese Herrlichkeit Jesu sucht, wissen will, wo
man diese Herrlichkeit finden kann, fragt nach dieser Herrlichkeit. Nur für den
hat dies Zeichen einen Wert, liebe Freunde, der an dieser Herrlichkeit
interessiert ist – so wie ein Wegzeiger seinen Sinn ja auch nur für den hat,
der bereit ist, diesen Weg, der ihm da gewiesen wird, auch wirklich zu gehen.
Für den aber, der die Herrlichkeit Jesu sucht – für den ist dieses Zeichen auch
wirklich ein sprechendes Zeichen, eines, das ganz gewiss seinen Wert hat,
eines, das ganz gewiss weiter hilft und weiter weist. Freilich, dann müssen wir
dies Zeichen verstehen in seiner gleichnishaften Gestalt, müssen seinen
verborgenen Hintersinn erkennen, und uns auch wirklich an diesen verborgenen
Hintersinn halten. Dieser Sinn zeigt sich, wenn wir zunächst auf das Wort
achten, welches Maria zu den Dienern des Hauses sagte, in welchem die Hochzeit
stattfand: „Was er euch sagt, das tut.“ Was er euch sagt, das tut – das
ist der erste Schlüssel zum Geheimnis der Herrlichkeit Jesu. Wo wir nicht bereit sind zu solchem Tun, da werden wir auch ganz
gewiss Nichts sehen von dieser Herrlichkeit. Wo wir nicht bereit sind, ihm aufs
Wort zu folgen, dem zu vertrauen, was er sagt, da finden wir nichts, aber auch
gar nichts von seinem überwältigenden Glanze. Aber nicht nur darauf kommt es
an: „Was er euch sagt, das tut.“ Sehen wir weiter zu: Da sind die Wasserkrüge,
Gefäße, das Wasser aufzubewahren, das die Juden für die vielen Waschungen
gebrauchten, welche ihnen im Gesetz Moses geboten waren. Eine alte Sache, diese
Gebote – und wahrscheinlich dachte mancher: Wozu das alles? Wozu diese alten
Sachen, wozu diese alten Bräuche, wozu diese veralteten Gebote auch in einen
neue und andere Zeit mitschleppen, in der sie doch gewiss nicht aktuell sind.
So werden sicherlich eine Menge Leute damals auch gedacht haben. Und
wahrscheinlich waren die Diener, welche auf eine besondere und außerordentliche
Anweisung Jesu gespannt waren, etwas enttäuscht, als er sie auf diese alten
Krüge hinwies, also sie anwies, sie zu füllen, eine doch schon geradezu
selbstverständliche Sache, denn wo man sie leer ließ, da konnten diese Krüge
ihren Zweck doch gewiss nicht erfüllen. – So mag es uns gehen, zu Anfang
unseres bewussten Christenlebens – wenn wir uns entschlossen haben, zu tun, was
er sagt, und dann auch weiterhin immer wieder: Dass wir enttäuscht scheinen,
wir, die wir auch große, außerordentliche Befehle warten, und werden von Jesus
auf die alten, selbstverständlichen Verpflichtungen hin gewiesen, auf die
Arbeit, den Beruf, die Familie, die Gemeinde – werden darauf hin gewiesen, dass
wir dort tun, was eigentlich selbstverständlich sein sollte – wie die Diener
das Selbstverständliche tun mussten, nämlich die Wasserkrüge voll Wasser
schöpfen.
Das ist der Ort der Herrlichkeit Jesu, wo wir das tun, was
selbstverständlich sein sollte, es tun auf sein Wort hin. Amen.