2. nach Trinitatis  11.6.1961  Wolfenhausen / Nellingsheim

214,1-3               Ich lobe dich von ganzer (133)

245,1-5               Kommt her zu mir (155)

165,2+3              Im Frieden dein, o (127)

272,7+8              Kommt, Kinder, lasst uns (276)

Jes 55,1-7  Lk 14,15-24

 

Liebe Gemeinde!

Machen wir es uns ja nicht zu einfach mit diesem Gleichnis Jesu, indem wir sagen, es seien fadenscheinige Ausreden gewesen, mit welchen sich die zuerst geladenen Gäste entschuldigen. Wenn wir näher zusehen, werden wir nämlich rasch merken, dass sie sehr triftige Gründe vorzubringen hatten. Der eine war dabei, einen Kaufvertrag abzuschließen – wenn er nicht gleich jetzt das angebotene Grundstück ansah und die Sache perfekt machte, dann kam ihm womöglich ein anderer mit dem Kauf zuvor – das ist doch ein Grund, den wir gelten lassen müssen. Der andere hat Ochsen gekauft, die er nun ausprobieren muss, damit er den Kauf termingerecht rückgängig machen kann, falls der Verkäufer bei einem der Tiere einen Fehler verschwiegen haben sollte. Der Dritte hat eben geheiratet – soll er nun gleich seine junge Frau vernachlässigen? Das könnte üble Folgen für die ganze Ehe haben. Und das lohnte sich doch nicht aufs Spiel zu setzen, wegen einem Festessen, und mochte es noch so prächtig sein. Wie gesagt: Die Leute, die sich entschuldigten, hatten recht respektable Gründe vorzubringen, und wenn wir’s uns nicht zu leicht machen wollen mit dem Gleichnis Jesu, werden wir das von vornherein uns klar zu machen haben. Aber für den Hausherrn, den, der einlädt, waren diese Gründe doch keineswegs so, dass er sich damit zufrieden gegeben hätte – und seine Tische wurden voll auch ohne die erstgeladenen Gäste, die seine Einladung verachteten.

Freilich, jetzt werden wir noch genauer zusehen müssen, wenn wir verstehen wollen, was Jesus eigentlich meinte mit seinem Gleichnis. Da traf einer mit Jesus bei einer Einladung zusammen, und wollte ein religiöses Gespräch mit ihm anknüpfen über die himmlische Seligkeit, welche uns nach diesem Leben erwartet. Der Frager war gewiss, wie auch der Gastgeber, von dem das ausdrücklich gesagt wird, ein frommer Mann, einer von denen, welche mit gutem Recht erwarten können, dass sie nach diesem Leben ein ewiger Lohn erwartet. Aber Jesus ist auf dieses Thema, die ewige Seligkeit, gerade nicht eingegangen, sondern er hat stattdessen sein Gleichnis erzählt.

Fragen wir nun danach, was er mit diesem Gleichnis gemeint hat – was er dem Mann damit sagen wollte, der gerne ein religiöses Gespräch über die Seligkeit mit ihm geführt hätte – so werden wir zunächst einmal die Antwort hören müssen: Wer Jesus nicht hört, der hat seine Seligkeit schon verspielt. Wer nicht mit Jesus ist, wer dessen Gesellschaft meidet, der brauch t auf keinen Fall auf das Himmelreich zu warten, denn er hat nichts damit zu tun. – Seht, da hatten sie ja Hemmungen, gerade die Frommen! Jesus, den hätten sich schon akzeptiert, den hätten sie schon gelten lassen. Aber Jesus war eben nicht allein, sondern er hatte seine eigene Gesellschaft bei sich – und das war das, was den Frommen Israels gegen den Strich ging. Und Jesus machte es ihnen auf jede Weise klar: Mich allein könnt ihr nicht haben. Vielmehr: Sie müssen alle dabei sein, die zu mir gehören. Mich allein kann keiner haben und genießen; vielmehr gehören alle mit dazu, die ich rufe – eben die Armen, die Blinden, die Krüppel, die Lahmen – die nicht ganz auf der Höhe sind, sei es in leiblicher, oder in geistiger, oder auch in moralischer Beziehung!

Jesus allein – das geht nicht! Keiner kann ihn allein haben, ohne zugleich alle anderen mit zu haben, welche zu Jesus gehören. Darum hat er ja sein Abendmahl gestiftet, darum feiern wir dieses Mahl gemeinsam – damit wir das nicht nur hören, sondern damit wir es wirklich sehen und schmecken können, dass wir alle miteinander zusammen gehören – wie das der Apostel Paulus gesagt hat: Ein Brot ist’s, so sind wir Vielen ein Leib, dieweil wir alle eines Brotes teilhaftig sind. Jesus allein – den kann keiner haben; das will er deutlich machen in seinem Gleichnis. Vielmehr: Alle müssen mit dabei sein, alle gehören zusammen. Darum lädt er zu seinem Abendmahl. Und wer nicht zu diesem Abendmahl kommt, der hat nichts mehr zu tun mit Jesus. Der hat seine Seligkeit verscherzt!

Ich sagte: Jener Mann und seine Gesinnungsfreunde, welchen Jesus sein Gleichnis erzählt hat, die wollten nicht zu Jesus kommen – weil sie Jesu Gesellschaft scheuten; weil sie’s nicht gelten lassen wollten, dass Jesus alle aufnahm, die zu ihm kamen. Sie hatten alle recht gute und ehrenwerte Gründe, warum sie nicht kommen wollten. Sie meinten, es schade doch der Sitte  und Moral, wenn Jesus sich alles gefallen ließ, was da an Menschen zu ihm kam. Sie meinten, der Glaube, der müsse sich doch erst einmal in einem sauberen und anständigen Lebenswandel erweisen  und wer diesen Wandel nicht vorzuweisen habe, mit dem habe ein Gläubiger gerechterweise nichts zu tun. – Respektable und anständige und fromme Gründe. Aber Jesus hielt ihnen sein Gleichnis entgegen mit dem scharfen und eindeutigen Schlusssatz: „Ich sage euch, dass der Männer keiner, die geladen waren, mein Abendmahl schmecken wird!“

Warum sollten sie alle von der ewigen Seligkeit ausgeschlossen sein, diese frommen und ehrenwerten und auf ihre Art gewiss gläubigen Leute, welchen Jesus nicht rigoros genug war, welchen er zu sehr mit der Welt paktierte, die sich nicht mit Jesus einlassen wollten, weil ihnen die Gesellschaft, mit welcher sich Jesus eingelassen hatte, zu zweifelhaft war? Jesus gab die klare Antwort: Jetzt, jetzt gilt es zu kommen. Jetzt gibt es keine Entschuldigungsgründe. Wer jetzt die Zeit und die Gelegenheit versäumt, der versäumt die ewige Seligkeit – und wenn er noch so viele gute und plausible Gründe vorzubringen weiß, warum er jetzt gerade im Augenblick noch keine Zeit hat, dem Rufe Jesu zu folgen.

Aber sind wir denn solche, die sich dem Ruf Jesu verschließen? Wir sind doch alle miteinander recht ordentliche Kirchgänger, gemessen an der großen Masse unserer Volks- und Kirchengenossen. Wir sind doch alle bestrebt, regelmäßig wenigstens einmal im Jahr zum Tisch des Herrn zu gehen, und uns seines für uns gegebenen Leibes und seines für uns vergossenen Blutes zu versichern. Wir, wir schlagen doch seine Einladung gewiss nicht aus!

Sind wir uns dessen so sicher, liebe Freunde? Dann denken wir an den frommen Mann, welcher mit Jesus bei Tische ein Gespräch über die ewige Seligkeit anzuknüpfen versuchte, und den Jesus mit seinem Gleichnis bedeutete: du und deinesgleichen, ihr werdet nicht dabei sein! Denken wir daran, liebe Freunde, und seien wir uns ja nicht so selbstverständlich sicher darüber, dass wir nun zu den Erwählten gehören werden, zu denen, welche der Herr zu sich holen wird in seine Herrlichkeit. Den Frommen seiner Zeit musste er bedeuten: Ihr werdet nicht zum Heile kommen, weil ihr jetzt, jetzt und hier euch zu gut seid, mit allen, die gerufen werden, mit allen, die zum Samen Abrahams gehören, mit gar allen zusammen zu kommen, euch zusammen zu tun. Und weil ihr die jetzt nicht dabei sein lasst, darum werdet ihr einmal nicht dabei sein, wenn ich kommen werde in meiner Herrlichkeit. So war es damals. Meint ihr, es sei heute anders? Meint ihr, wir seien heute anders dran? Meint ihr, wir könnten uns der großen, herrlichen, ewigen Zukunft Gottes versichern, wenn wir nicht in diesen Tagen, wenn wir nicht in dieser Welt uns zusammen tun – wir Christen? Meint ihr, wir könnten Leib und Blut des Herrn genießen – könnten uns versichern der Seligkeit, die er uns erworben hat, wohlgemerkt, uns miteinander, und nicht mir für mich und dir für dich – und könnten dann wieder auseinander laufen an unsere Hantierung – den Acker zu kaufen, oder die ochsen, oder um ein Weib zu freien – so, als hätten diese Tage unseres Lebens in dieser Welt gar nichts zu tun mit dem, was dann kommt, mit dem Herrn, zu dem wir kommen wollen, der zu uns kommen will, wenn seine Zeit ist? Meint ihr, so einfach ginge das?

Nein! Dann schlagen wir seine Einladung aus, wenn wir nicht begreifen, dass wir in diesen Tagen zusammen gehören, die wir einmal am großen Abend der Welt mit ihm zu Tische sitzen wollen. Dann schlagen wir seine Einladung aus, wenn wir nicht begreifen: Wir gehören auch in diesen Tagen zusammen, alle miteinander, die wir einst in der ewigen Seligkeit mit ihm zusammen gehören wollen.

Das trägt uns die gemeinsame Einladung auf, dass wir jeden annehmen, der mit uns an diesen Tisch geladen ist. Und nun muss jeder anfangen, sich darauf seinen Vers zu machen: Wo wir nicht diese Tage zusammen halten – da werden wir an jenem Tage abseits stehen müssen. Wo wir nicht jetzt Jesu Ruf hören, der uns zusammenschließt, da wird er uns einst verleugnen. Amen.