13.4.1952 Ostern Thomaskirche
Kaltental
215, 1-4 Auf, auf mein Herz
Chor: Christ ist erstanden
218,1.2. Jesus meine Zuversicht
209, 8.9 Lebt Christus, was bin ich betrübt
Schriftlesung: Mk 16,1-8 1.Kor
15,1-20
Liebe Gemeinde!
Ostern, das ist das Fest, das die Christenheit von Anfang an
feierte, lange ehe sie das Pfingstfest, oder Weihnachten, oder den Karfreitag
begangen hat. Dies Fest will die beherrschende Mitte sein im Leben der
christlichen Kirche. Ist doch schon jeder Sonntag eigentlich ein kleines
Osterfest – der Tag des Herrn, der Tag des Auferstandenen, der Tag, wo die
Gemeinde zusammenkommt, um auf das lebendige Gotteswort zu hören. Über die
ganze Woche soll das Licht dieses Herrentages strahlen. Und so, wie unsere
Woche auf den Sonntag hin ausgerichtet ist, wie sie von dorther ihr Licht
empfangen soll, und dort ihr Ziel hat, von dem her erst sie Kraft und Sinn
erhält, so soll es nun in dem größeren Kreis des Jahres mit dem Osterfest sein.
Dorthin, auf Ostern weisen all die besonderen Tage des Kirchenjahres, mit ihrer
Botschaft, von Advent und Weihnachten über die Passionszeit bis hin zum
Karfreitag, und von dorther bekommen sie alle ihr Licht und ihre besondere
Bedeutung, bis hin zum letzten Sonntag
des Kirchenjahres, zum Totensonntag. So steht dies Fest, das wir heute begehen,
das Osterfest, von Anfang an bestimmend im Mittelpunkt des Lebens, und des
Feierns und der Verkündigung der christlichen Gemeinde.
Doch steht dies fest, steht die Auferstehung Jesu wirklich
auch so bestimmend im Mittelpunkt unseres Lebens, unseres Glaubens, unserer
Hoffnung? Dass dem wirklich so sei, dass Ostern in unserem Leben den
gebührenden Platz bekomme, dazu will uns der Apostel Paulus mit unserem
heutigen Texte helfen!
Liebe Freunde! Ist es nicht ein Wunder, dass wir einen
solchen Text in Händen haben? Dass wir nicht ratlos und hilflos der ganzen
Rätselhaftigkeit und Unheimlichkeit und Sinnlosigkeit unseres Lebens
ausgeliefert sind? Darauf angewiesen, dies Leben mit unserer eigenen Vernunft
zu deuten. Denn diese unsere Vernunft kann doch schließlich nur das eine als
gewiss feststellen: dass unser Leben unaufhaltsam dem Tode, der Auflösung,
einem grausigen, drohenden Nichts entgegen geht. Denn das ist es doch, was wir
täglich vor Augen haben, dieses Sterben und Vergehen! Dies, dass uns alles aus
dem Händen gleiten will, worauf wir uns stützen wollten in unserem Leben: Unser
Geld und Gut, unsere Gesundheit und die Kraft unseres Leibes, wohl erworbene
Ansprüche und Rechte, Menschen, denen wir in Liebe verbunden sind, - dies alles können wir nicht halten, und
was bleibt dann am Ende übrig von unserem Leben: Tod und Auflösung – ein
Nichts, das uns verschlingen will. So allein kann unsere Vernunft unser
menschliches Leben deuten, wenn wir wirklich ehrlich sind, wenn wir uns nichts
vormachen, sondern mit offenen Augen unser Leben so betrachten, wie es wirklich
ist.
Liebe Freunde! Ist es da nicht ein herrliches Wunder Gottes
– ich möchte es das erste Osterwunder nennen – dass wir in unserem Leben
nicht mit unserer armen Vernunft allein gelassen sind. Dass wir nicht mit
diesem armseligen, flackernden Kerzenstümpfchen (unserer Vernunft), den Weg,
Sinn und Ziel unseres Lebens suchen müssen. Sondern dass uns ein gewaltiges
Licht aufgegangen ist, in dem Gott selber uns den Weg, den Sinn, das Ziel
unseres Lebens zeigt. Dies gewaltige Licht ist das Wort des Neuen Bundes
Gottes, (das Wort der Heiligen Schrift.) dies Wort, in dem Gott mit uns reden
will; das Licht bringen will in das Dunkel unseres menschlichen Daseins. Was
wären wir, liebe Freunde, wenn wir dies Wort Gottes nicht hätten? Was wären
wir, wenn wir nicht zur christlichen Gemeinde gehörten, in der dies Wort immer
neu gepredigt wird?
Dass es eine solche christliche Gemeinde gibt, die das Wort
Gottes verkündigt und dass es ein Wort der Heiligen Schrift gibt, durch das
diese christliche Verkündigung Richtung und Inhalt erhält, das hat seinen Grund
und Ursprung in dem Wunder Gottes, das an Ostern geschehen ist. Das hat seinen
Grund darin, „Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift,
und dass er begraben ist“ – aber dass nun damit gerade nicht das Scheitern
eines religiösen Phantasten angezeigt ist, der Gott vertraute und darum
kläglich zu Grunde ging. So musste ja das Ende Jesu, an menschlichen Maßstäben
gemessen, aussehen. Wir haben sie ja gehört, die spottenden Worte der
Hohenpriester und Ältesten und Schriftgelehrten: Er hat Gott vertraut, der
erlöse ihn nun, hat er Lust zu ihm (Mt. 27, 43). Ja, sie meinten, sie könnten
triumphieren, nun, da sich das Grab über Jesus geschlossen hatte. Aber da ist
das große Wunder Gottes geschehen: „Dass er auferstanden ist am dritten Tage
nach der Schrift“, dass er lebt, dass er sich Zeugen erwählt, die das bezeugen
sollen und bezeugen können, dass er lebt, „Dass er gesehen worden ist von
Kephas - von Petrus, dem Felsen, - danach von den Zwölfen. Danach ist er
gesehen worden von mehr denn 500 Brüdern auf einmal, deren noch viele leben,
etliche aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach
von allen Aposteln. Am letzten nach allen ist er auch von mir, als einer
unzeitigen Geburt, gesehen worden.“
Dort, in dieser österlichen Begegnung (mit dem
Auferstandenen), hat er sich die Zeugen erwählt, seine Apostel, die das Licht
des Evangeliums hinaustragen sollten in alle Welt. Liebe Freunde! Darum, weil
das geschehen ist, weil Jesus lebt und sich seine Zeugen, die Botschafter
seines neuen Lebens erwählt hat, darum haben wir heute den Text der Bibel in
unseren Händen. Darum, weil der Herr den Verfolger Saulus zu dem Apostel, zu
dem Zeugen Paulus gemacht hat, darum muss ich euch jetzt nicht meine eigenen,
menschlichen Gedanken zur Antwort geben auf die Frage, mit der ihr heute wohl
alle hierher gekommen seid, ob ihr sie nun ausgesprochen habt oder nicht, ich
muss euch nicht meine eigene, menschliche Antwort geben auf die Frage, ob denn
der Tod und das Vergehen und das Nichts das Letzte sind in unserem Leben, und
ob darum der einzige Sinn dieses Lebens darin besteht, es so gut das immer
geht, zu genießen, bis dann der Lebensfaden abgeschnitten ist, und ob alle
Gemeinschaft, die wir auf Erden haben, mit dem Tode zerrissen wird auf immer,
und ob all unser Tun und Lassen ohne Bedeutung sein wird, wenn sich erst einmal
der Deckel unseres Sarges über uns geschlossen hat und die letzten Nachrufe
über dem Grab verhallt sind.
Liebe Freunde! Wenn ich auch heute auf diese Fragen eine
eigene, menschliche Antwort finden müsste – wie unbefriedigend und wirklich
trost – los würde diese Antwort doch ausfallen. Doch nun muss ich euch ja nicht
meine eigene Antwort geben, sondern wir miteinander, ich, der ich zu euch rede,
und ihr, die mir zuhört, wir können miteinander diese unsere Fragen daher
tragen in das Licht der Osterbotschaft, wir können uns eine Antwort sagen lassen,
die wir nicht erst mühsam suchen müssen, eine Antwort, die uns der Herr selber
gibt, die er uns gibt durch den Mund seiner erwählten Zeugen, die er uns heute
an diesem Ostermorgen in besonderer Weise gibt durch den Mund seines Zeugen
Paulus, in den Versen, die ich vorhin gelesen habe.
Ja, das ist wirklich das Osterwunder, das erste Osterwunder,
dass in unserer Dunkelheit das Licht des lebendigen Gotteswortes Jesus Christus
aufstrahlt, dies Licht, das in unsere Todesnacht hineinleuchten will, damit wir
das Ziel unseres Lebens erkennen, damit wir den Weg finden, um diesem Ziel
entgegen zu gehen, diesem Ziel, das nun nicht heißt: Sterben, Vergehen,
Auflösung; sondern das heißt: Auferstehung und Leben und Ewigkeit.
Liebe Freunde! Dass Jesus lebt – Ich nannte es das erste
Osterwunder, dies, indem Gottes Wort, das unter uns laut wird, dies, dass wir
in diesem Gotteswort die Antwort finden auf unsere Fragen, dies, dass dieses
Gotteswort Licht und Leuchte ist auf unserem Lebensweg.
Doch nun möchte ich noch von dem 2. Osterwunder zu
euch reden. Dies 2. Osterwunder, das ist, dass dies Wort Gottes in uns den
Glauben schafft, dass es uns in allen unseren Zweifeln von seiner frohen und
trostreichen und friedevollen Wahrheit überzeugt. Sie gehören ja beide untrennbar
zusammen: die Predigt des Gotteswortes, und der Glaube, der dies Gotteswort
aufnimmt und ergreift. „Also predigen wir, und also habt ihr geglaubt.“ (Das
ist für Paulus eigentlich selbstverständlich, dies, dass die Predigt des
Evangeliums Glauben weckt, dass sie niemals nur auf Ablehnung und Feindschaft
stößt). Aber es kommt nun wirklich alles darauf an, dass dieser Glaube echter,
christlicher Glaube sei, der Glaube, der den Tod überwindet und die Kraft der
Sünde zerbricht. Solchen Glauben können wir nicht selber in uns erwecken. Es
ist der lebendige Herr, Jesus Christus, der Auferstandene, der diesen Glauben
in uns wirkt, der es machen kann, dass
dies 2. Osterwunder, dass der Glaube an das Gotteswort in uns geschieht.
Es ist ja ein gewaltiges und sehr gefährliches Hindernis,
das diesem Glauben entgegensteht. Auch in der Gemeinde in Korinth hat es Leute
gegeben, die an diesem Hindernis gestrauchelt und gefallen sind. Das waren die
Leute, die zwar das noch geglaubt und angenommen haben, die es zugegeben haben,
dass das mit der Auferstehung Jesu Christi wohl seine Richtigkeit haben wird.
Und sie meinten nun, das sei schon echter, christlicher Osterglaube.
Aber nun sind sie an diesem großen Hindernis stecken
geblieben. Sie haben das nicht geglaubt und erkannt und begriffen, dass in
dieser Auferstehung Jesu Christi unsere eigene Auferstehung beschlossen ist.
Sie meinten, das mit der Auferstehung der Toten sei nichts! Sie meinten, das
Christentum, das ihnen der Apostel Paulus gepredigt, sei eben auch nur eine Art
und Weise, wie man sein Leben auf dieser Welt möglichst gut hinter sich bringen
könnte.
Aber das, dass am Schluss des Lebens eben der Tod steht, das
was für sie eine unabänderliche Tatsache. Darum, so meinten sie, hatte auch die
Auferstehung Jesu von Nazareth nichts geändert. Dann das war es ja, was sie
tagtäglich vor Augen hatten – was auch wir ständig vor uns sehen: Dass sie alle
alt werden und verfallen, dass sie alle Krankheit und Schwäche leiden müssen,
dass für alle einmal der Tag kommt, wo der Tod sie ergreift – seien es nun
Heiden oder Christen, Gläubige oder Ungläubige, Fromme oder Gottlose. Ja, liebe
Freunde! Ist das nicht auch für uns immer wieder der große Anstoß, dass
scheinbar immer noch der Tod triumphiert. Dass wir seine Macht spüren an der
Schwachheit unseres Leibes. Dass wir seine Gewalt erfahren in der Angst, die
uns immer wieder packen will, in der Angst vor einer dunklen Zukunft, in der
uns nur Not und Leid und Tod erwarten. Ja, wir spüren diese Macht des Todes –
diesen kalten Hauch der Verwesung, der uns aus dem offenen Grabe anweht, der
uns zur Flucht treiben will, die doch immer nur eine Flucht sein kann, die
schließlich doch in den Armen des Todes endet. Liebe Freunde!
Dies ist das eine, große, entscheidende Hindernis für
unseren Glauben an das Wort Gottes, daran, dass Jesus lebt, und dass es
tatsächlich der Erstling ist von den Entschlafenen, dass seine Auferstehung
unsere Auferstehung nach sich zieht – dies ist das entscheidende Hindernis
dafür, das zu glauben, dass uns im Tode das Leben erwartet, dass das Letzte
nicht der Tod ist, sondern der lebendige Gott, der uns zu sich zieht durch den
Tod hindurch – ich sage, dies, dass wir die Macht des Todes so deutlich vor
Augen haben, ja an unserem eigenen Leibe verspüren, dies ist das entscheidende
Hindernis für unseren Glauben. Dass wir an diesem Hindernis nicht straucheln,
sondern im Glauben die rettende Kraft des Gotteswortes erfassen, das ist das 2.
Osterwunders, in dem sich unser Herr Christus für uns als der Lebendige erweist.
Liebe Freunde! Ja, das ist das doppelte Osterwunder: Dass
er, der lebendige Christus und die Kraft seiner Auferstehung unter uns,
gepredigt wird, und dass dies Wort in uns den Glauben schafft, der Welt und Tod
und Hölle überwindet.
Dass solcher Osterglaube das Ziel, die Mitte und der Sinn
unseres Lebens werde, dass dies doppelte Osterwunder auch unter uns heute
geschehe, dazu helfe uns der lebendige Herr!
Amen