Ostersonntag, 29.3.1986 Eysölden
EG 75 Christ ist erstanden
Intr.10
EG 82,1-5 Wir wollen alle fröhlich sein
EG 79, 1-6 Gelobt sei Gott im höchsten Thron
EG 86 Auf, auf mein Herz
EG 89 Jesus lebt, mit ihm
1. Kor 15, 1-11 Markus 16, 1-8
Herr unser Gott, du König des Lebens, der du unseren Heiland
Jesus Christus vom Tode erweckt hast, und hast ihn zum Herrn gemacht über alle
Mächte und Herren dieser Welt,
wir bitten dich,
lass uns in der Kraft seiner Auferweckung dir dienen unser
Leben lang, und dich endlich preisen in deinem ewigen Reich
Der du, ein wahrer Gott, lebst und regierst von Ewigkeit zu
Ewigkeit.
Amen
Herr, unser Gott, wir danken dir, dass du uns das Leben
gibst in Jesus Christus.
Wir bitten dich, erinnere deine Christenheit an diesem Ort
und in aller Welt an dein Evangelium, dass wir es mit Worten und Taten
bezeugen.
Wir bitten dich für die Völker und Staaten, und alle, die
Macht haben in Regierungen, Parteien und Unternehmen: Lass sie dem Recht dienen
und das Wohl aller Menschen suchen. Wehre du dem Hass und der Feindschaft in
unserem Land und in aller Welt und lass uns in jedem Menschen dein Geschöpf
sehen, achten und lieben.
Wir bitten dich um Nahrung und Arbeit für alle Menschen.
Lass uns miteinander teilen, was deine Güte uns schenkt.
Kranke, durch die Macht des Todes betroffene, Trauernde...
Liebe Gemeinde!
Ostern – das kann einer doch nicht vergessen. Ostern: Das
kommt doch jedes Jahr wieder, wie Weihnachten und Neujahr und Karfreitag und
Pfingsten und die großen Schulferien im August. Ostern, das kann einer doch
nicht vergessen! Oder geht das doch? „Ich erinnere mich – so der Apostel Paulus
– ich erinnere mich an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, welches
ihr auch angenommen habt, in welchem ihr auch steht, durch welches ihr auch
selig werdet, wenn ihr`s festgehalten habt, in welcher Gestalt ich es euch
verkündigt habe.“
Haben sie es damals vergessen gehabt? Ich denke, sie haben
es gelernt, gut gelernt, weil sie es ja noch nicht in einer geschriebenen oder
gar gedruckten Bibel nachlesen konnten, wie wir. Sie haben es gut auswendig
gelernt – wie die Konfirmanden ihr Glaubensbekenntnis samt Luthers Erklärung –
und konnten es hersagen: „Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach
der Schrift, und dass er begaben wurde; und dass er auferstanden ist am dritten
Tage nach der Schrift, und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von
den Zwölfen.“
Nein! Ostern, das kann einer doch nicht vergessen. Jeden
Sonntag feiern wir als den Tag des Herrn – weil er an diesem Tag auferstanden
ist vom Tod. Und jedes Jahr feiern wir das Osterfest, damit es jeder weiß:
Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.
Ostern, das kann einer doch nicht vergessen! Richtig ist das
– und doch, haben wir die Erinnerung daran nötig. Jeder weiß darüber Bescheid
und braucht diese Erinnerung doch immer wieder. Der Apostel schärft es den
Christen in Korinth ein, sie sollten bei dem Evangelium bleiben – „es wäre
denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wäret“. Und es ist gut, dass der
Sonntag kommt, und die Glocken uns erinnern – an Jesus Christus, an das
Evangelium. Es ist gut, dass das Osterfest kommt, und uns erinnert, an das, was
wir gelernt haben, was uns übergeben worden ist – die Wahrheit des Evangeliums,
unseren Glauben. Den gemeinsamen Glauben - von dem Paulus sagt: „Es sei nun ich
oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.“
Kann einer das wirklich vergessen? Kann einer Ostern
vergessen, das Evangelium des Herrn Jesus Christus? Ich glaube nicht. Im Kopf
drin – da wird etwas bleiben von dem, was einer gelernt hat. Im Kopf drin wird
etwas bleiben, und es ist gut, wenn einer nicht nur dies und jenes gelernt hat,
Nützliches und sicher auch manches Unnütze, sondern wenn er auch das im Kopf
hat: Das Evangelium, den Glauben, etwa im Wortlaut des Bekenntnisses, wie wir
es vorhin gesprochen haben. Und hat nicht nur die drei Artikel im Kopf, sondern
auch die Erklärung, die Luther zu diesen drei Artikeln gegeben hat. Zum zweiten
Artikel z. B. – Ostern ist ja ein Christusfest, und von Christus redet das
Evangelium, an das Paulus die Korinther und mit ihnen auch uns erinnert: „Ich
glaube an Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, unseren Herrn.“ Was ist
das? „Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit
geboren, und auch wahrhaftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren, sei mein
Herr…“
Im Kopf haben wir’s. Und das ist gut so. Aber es kann ja
nicht bloß im Kopf bleiben, dies Evangelium. Darum haben wir die Erinnerung
nötig – Sonntag für Sonntag, wenn wir es hören. Jahr für Jahr, wenn wir feiern
– Weihnachten, und Karfreitag, Ostern und Pfingsten. Vergessen wird das
Evangelium keiner so leicht. Aber gerade darum hat er die Erinnerung an dies
Evangelium immer wieder nötig. Es soll nicht im Kopf bleiben. Es soll in Herz
und Gewissen kommen.
Erinnern, das heißt: Hören, hersagen, nachdenken, damit
umgehen – es heißt beten und singen. Das können wir tun. Und wenn einer dazu
ein bisschen zu träge und bequem ist – dann kann es gut und hilfreich sein,
wenn ihn einer einen kleinen Stoß gibt: So Paulus – ich erinnere euch, liebe
Brüder, an das Evangelium. Erinnere dich! Gut und hilfreich.
Aber dass dies Evangelium vom Kopf ins Herz und Gewissen
kommt, dazu gibt ein anderer den Anstoß, Gott selbst – Gott der heilige Geist.
So sagen wir das. So ein Anstoß kann sacht und ganz unmerklich kommen: Dass
einer aufschaut aus dem alltäglichen Betrieb, der ihn sonst ganz in Anspruch
nimmt: Arbeit, und Feierabend – und das Wochenende ist auch schon verplant, der
Freitagabend und der Samstag und der Sonntag. Und am Montagfrüh geht die Arbeit
wieder los – wie lange soll das denn noch gehen? Und was wird dabei
herauskommen? Ist das ein gutes Leben, wie sich`s einer wünschen kann? Der
Anstoß kann kräftiger kommen: ein großer Schreck, beinahe hätte es mich
erwischt, ein Unfall – bin ich bereit, vor meinen Richter zu treten. Der jähe
Tod, ein Bekannter, ein Freund ist nicht mehr da. Eine Krankheit, die alle
Pläne über den Haufen wirft. Das Erschrecken darüber, wie hart, wie
unbarmherzig, wie böse ich mich hier oder dort, diesem armen und hilflosen
Menschen gegenüber aufgeführt habe.
Vergessen kann einer das Evangelium wohl kaum, wenn er es
einmal gelernt hat; und wenn er sich zu guter Zeit immer wieder daran hat erinnern
lassen. Aber dass dies Evangelium von Kopf in Herz und Gewissen kommt, dazu
gibt ein anderer den Anstoß – Gott selbst, der heilige Geist. Und erst dort, wo
dies Evangelium von Kopf in Herz und Gewissen gekommen ist, da kann ich’s
ermessen, was das heißt, dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der
Schrift, und dass er begraben wurde, und dass er auferstanden ist am dritten
Tage nach der Schrift, und dass er gesehen wurde von Petrus, den Zwölfen und
vielen Zeugen. Evangelium ist das, die gute Nachricht: Dass er lebt, dass ich
ihm gehöre, dass er mein Herr ist, der mich verlorenen und verdammten Menschen
erlöst hat, erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tod und von der Gewalt
des Teufels! Wo ich meine Schuld sehe, wo ich meinem Tod begegne – da weiß
ich’s, was das Evangelium bedeutet.
Nein! Dann kann einer Ostern wahrhaftig nicht mehr
vergessen, kann das Evangelium, kann Jesus Christus nicht vergessen. Im Kopf
bleibt` s ihm, was er gelernt hat, und bleibt ihm in Herz und Gewissen. Vorbei
– die Gelegenheit, dich zu entschuldigen. Vorbei – das Leben dieses Menschen,
mit dem ich zusammen war: unwiderruflich vorbei! So sagt`s mir der Augenschein.
Über den Friedhof in die Kirche zu gehen, das ist da eine gute Erinnerung (und
ich habe dabei an das Grab meiner Eltern gedacht).
Vorbei: Festgehalten bist du, gefangen in deiner Schuld.
Ausgeliefert dem Tod – so lehrt das doch die Erfahrung. Nein! Das ist nicht
wahr. Nein! Das gilt nicht. Nein! Tod und Teufel sind die Herren nicht, als die
sie sich aufspielen – und ängstigen die Leute, ob die es wahrhaben wollen oder
nicht. Nein! Das Evangelium weiß es besser: Jesus Christus, wahrhaftiger Gott,
und wahrhaftiger Mensch – er ist der Herr, der mich erlöst hat. Ich sage es
noch einmal, dass es ja fest sitzt im Kopf, und dass es ins Herz und Gewissen
kommen kann, wenn sie drohen, Schuld und Tod. Da braucht einer die Erinnerung –
auch dann, wenn er meint, er könne Ostern doch gewiss nicht vergessen! Braucht
die Erinnerung, Worte, die er sich und anderen vorsagen kann. Die er der Angst
und dem Todesschrecken entgegenhalten kann: „Der Tod ist verschlungen in dem
Sieg! Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott aber sei Dank,
der uns den Sieg gegeben hat, durch unseren Herrn Jesus Christus.
Soll ich euch erzählen, wie es in dieser Welt zugeht? Im
Großen zugeht und im Kleinen -? Soll ich euch erzählen, wie die Menschen
miteinander umgehen? Die Staaten und die Völker, die Großen, die die Macht
haben, Raketen und Flugzeugträger und viel, viel Geld? Und die Reichen, die
Starken, die sich aufspielen und zeigen müssen, wie gefährlich sie sind, und
dass mit ihnen nicht gut Kirschen essen ist? Soll ich euch erzählen, wie es in
dieser Welt zugeht, und wie wir alle mit dieser Welt umgehen - jeder will bloß möglichst
viel haben. Soll ich euch erzählen – was ihr doch selbst viel besser wisst?
Dass die Sünde, dass der Tod regiert in dieser Welt? Soll
ich euch das erzählen, was da so offenkundig vor aller Augen liegt? Warum leben
wir denn? Trotzdem. Warum kommt wieder ein neuer Frühling? Warum wird hier und
dort ein Kind geboren und wächst auf, fröhlich und selbstverständlich? Warum
die Sehnsucht nach Frieden – nach Liebe - nach Vertrauen?
Weil nicht die Sünde, weil nicht der Tod regiert, sondern
der lebendige Gott. Weil das Reich sein ist, und die Kraft, und die
Herrlichkeit. Denn er hat Chrisus auferweckt. Das Leben behält den Sieg. Das
kann einer nicht vergessen. Daran muss er sich erinnern, weil es im Kopf ist,
und im Herzen und Gewissen – und offenkundig vor aller Augen, die sehen: Christ
ist erstanden.
Amen