5.Juni 1960 Wolfenhausen
/ Nellingsheim
100,1-3 Jauchz und Himmel (76)
98,1-3 Komm, heiliger Geist (152)
100,6 Jauchz
100,8.9 Jauchz
Joh. 15, 26-16,7
Apostelgeschichte, 2, 36-47
Liebe Gemeinde!
Was der Heilige Geist vermag, das wird uns in diesem Abschnitt,
dem Abschluss der Pfingstgeschichte, recht deutlich vor Augen gestellt.
Was der Heilige Geist vermag, das sehen wir hier, wo die
bisher vielleicht ein wenig spöttischen, und im besten Fall neugierigen,
vielleicht sogar feindseligen Zuhörer der Petruspredigt in ihren Innersten
getroffen werden.
Wo ihnen mit einem Schlag ihre ganze Lage vor Augen steht –
nicht irgend in ihrem irdischen Ergehen, sondern ihre Lage vor Gott: Sie sind
schuldig! Schuldig, dass Gottes Sohn sterben musste! Schuldig, dass er, der
Mensch mit dem reinsten Herzen getötet und verdammt wurde! Schuldig, dass er,
der Mensch, der von der selbstlosesten Liebe erfüllt war, nicht mehr unter
ihnen weilt! Schuldig, dass er, der Verheißene und Erwartete nicht aufgenommen
wurde! Schuldig sie alle, schuldig als Glieder des jüdischen Volkes, schuldig
als Bekenner des jüdischen Glaubens, schuldig als die, die das „Kreuzige ihn!“ mitgeschrieen
haben. Schuldig als die Menschen, die Gott ihren Gehorsam verweigert haben - .
„Da sie aber das hörten, gings ihnen durchs Herz“. Das vermag der Heilige
Geist, einem Wort, das man uns sagt, irgendeiner, ein Pfarrer, ein Prediger,
irgendein Bruder, der Christi Namen trägt – einem solchen Wort vermag der
Heilige Geist seine Kraft zu verleihen, dass wir blitzartig erkennen, wie wir
dran sind, dran sind dem Allmächtigen gegenüber. Was der Heilige Geist vermag,
das sehen wir hier, wo diese in ihrem innersten Herzen aufgerührten Menschen,
die ihre Schuld erkannt haben, fragen – „Ihr Männer, liebe Brüder, was
sollen wir tun.“ Seht, auch das
vermag der Heilige Geist: Nicht nur einen Menschen hineinzutreiben in die
Erkenntnis seiner Schuld, sondern ihn hinzuführen zu den lieben Brüdern! Ja,
das beides gehört doch wohl sehr, sehr eng zusammen: Dass wir eben nicht nur unsere
Schuld erkennen, allein gelassen sind mit unserer Schuld, sondern, dass wir
wissen: Das ist nur der Anfang. Dass wir wissen: Du musst etwas tun. Und dass
wir ganz genau wissen: Allein geht das nicht.
Du gehörst mit anderen zusammen, mit anderen, welche dir
weiterhelfen können. Seht – auch das vermag der Heilige Geist: Dass er Menschen
zum Reden bringt. Dass er sie dazu bringt, ihre Schuld zu erkennen.
Dass er sie dazu bringt zu fragen, was sie tun sollen. Und
sorgt dafür, dass andere da sind, liebe Brüder und Schwestern, denen solches
gesagt werden kann, und die weiterhelfen können.
Was der Heilige Geist vermag, dass sehen wir hier, wo uns
geschildert wird, wie sie sich erretten lassen, die dieser Geist berufen hat;
wie sie sich herausrufen lassen aus dem
„verkehrten Geschlecht“. Aus all den verfehlten und
verfahrenen Beziehungen in welchen sie bisher standen. Wie sie nicht mehr drin
stecken wollen in dem alten, dem sündigen Nebeneinander und Miteinander,
sondern zu denen gehören wollen, welche ein Neues kennen: Das Leben der
Erlösten, das Leben derer, die auf Christus getauft sind, das Leben der
Heiligen Gottes.
„Die nun sein Wort gern annahmen, ließen sich taufen und
wurden hinzugetan an dem Tag bei 3000 Seelen.“
Was der heilige Geist vermag, das sehen wir hier, wo von dem
festen Entschluss dieser Menschen die Rede ist, hinfort zu der Gemeinde Jesu
Christi zu gehören. Aber es ist ja nicht nur von diesem einmaligen Entschluss
die Rede. Wir wissen wohl alle, dass es gewiss leichter ist, einen Vorsatz zu fassen,
als ihn durch zu halten! Was der heilige Geist vermag, das sehen wir hier, wo
es heißt: „Sie bleiben aber beständig.“ – und dann wird uns geschildert,
worin sie beständig bleiben: Da ist die Rede vom Hören und Lernen – von der
Apostel Lehre in der sie geblieben sind, beständig, Tag für Tag. Es ist die
Rede vom Heiligen Abendmahl, das sie täglich miteinander feierten: So groß war
und blieb ihr Bedürfnis, sich im Sakrament der Gemeinschaft mit ihrem Heiland
und Herrn zu versichern. Sie blieben beständig im Gebet, in Lob und Dank Gott
gegenüber, der sie nicht in ihrer Schuld und Sünde lassen wollte, sondern sie
mit seiner Gnade überschüttet hatte. Und sie blieben beständig in der
Gemeinschaft – nicht nur dieser Gemeinschaft des Hörens und des Feierns, und
des Betens, sondern auch in der Gemeinschaft ihrer Güter. „Alle aber, die
gläubig waren geworden, waren beieinander und hielten alle Dinge gemein. Ihre
Güter und Habe verkauften sie und teilten aus unter alle, nach dem jedermann
Not war“.
Vielleicht, dass uns das das Außerordentlichste erscheinen
mag an dem, was der Heilige Geist vermag: Dass auch dieses Beieinander und
Miteinander des täglichen Lebens der leiblichen Nahrung, des Besitzes nicht
mehr seinen eigenen Gesetzen unterworfen blieb, sondern von der Kraft des
geistlichen, des religiösen Lebens durchdrungen war.
Dass sich gerade hier bewährte, was es hieß, aus dem
verkehrten Geschlecht errettet, hinein genommen zu sein in das Geschlecht der
Erlösten Christi, wo es eben auch in diesem Bereich der materiellen Güter nicht
mehr „mein“ und „dein“ gab, sonder nur noch ein „unser“ und „wir“!
Was der heilige Geist vermag, das sehen wir hier an der
Schilderung der ersten Christengemeinde. Freilich, wenn wir das so betrachten,
werden wir dann nicht unwillkürlich zum Vergleichen kommen. Zum Vergleichen
dessen, was da uns geschildert wird mit dem, wie es bei uns aussieht.
Vielleicht, dass wir denken, es wäre schön gewesen, wenn wir diese Zeit hätten
miterleben dürfen. Dass wir denken, das sei doch lange her, und bei uns sehe es
anders aus. Und dass wir vielleicht gar fragen, wo denn nun der Heilige Geist
eigentlich geblieben sei, nachdem jener erste, großartige und erhebende Anfang
der Christenheit zu Ende war. Wo der Heilige Geist wirkt, so werden wir dann
fragen.
Werden wahrscheinlich eben in der Ferne herum suchen.
Vielleicht lesen wir von großen Erfolgen unserer Missionare, in Afrika oder auf
Borneo oder in Honkong – und denken dort ist er, der Heilige Geist. Oder wir
denken an das, was wir gehört und gelesen haben von großen Erweckungen
vergangener Zeiten, von den herzandringenden Predigten eines Ludwig Hofacker
etwa, oder von der feurigen Überzeugungskraft des Grafen Zinzendorf, oder von
der geistlichen Bewegung, die Luther und die Reformatoren in unsern deutschen
Land entfachten.
Und sagen: Da wirkte er, der Heilige Geist, wirkte, wie er
einst bei den ersten Christen in Jerusalem gewirkt hat. Und immer steht bei
diesem Fragen, wo er denn wirke, der Heilige Geist, unausgesprochen dies Fragen
im Hintergrund: Bei uns, wie ist es da? Oder womöglich gar die Feststellung:
Bei uns, in unserer Gemeinde, da wirkt er nicht, der Heilige Geist. Da ist
nichts zu spüren von seiner Kraft. Warum sonst sollten denn die Menschen in so
großer Zahl Pfingstlern und all den
zweifelhaften Erweckungspredigern und Sektenaposteln nachlaufen, wenn nicht aus
der Überzeugung heraus: Bei uns wirkt er nicht, der Heilige Geist. Das ist aus
und vorbei. Anderswo, da mag er vielleicht zu finden sein – aber hier gewiss
nicht, nicht bei uns ist es, wo der heilige Geist wirkt.
Seht – wie leicht kann das geschehen, dass wir wegschauen in
die Ferne – und sei es auch in eine so heilige und leuchtende Ferne, wie die
erste Christengemeinde in Jerusalem und darüber undankbar werden! Dass wir über
der Frage, wo er denn wirke, dieser Heilige Geist Gottes, ganz schnell
vergessen, zu erkennen, wie er unter uns wirkt. Wie er wirkt dieser Heilige
Geist Gottes, und wie wir allen Grund haben, über solches Wirken dankbar zu
sein.
Wir suchen gar zu gerne das Außerordentliche, Besondere und
vergessen darüber das Ordentliche, das Alltägliche.
Wenn wir das lesen: Sie blieben aber beständig in des
Apostels Lehre – seht, dann sollten wir darauf blicken, welche Kraft und
Wirkung der Heilige Geist unter uns hat. Wie die Auslegung dieser Schrift hier
und allerorts in unserem Land Dutzende, und Hunderte, und Tausende Sonntag für
Sonntag zusammen zu rufen vermag, sie anzuleiten vermag, selber zu suchen und
zu forschen. Freilich, das darf uns nicht dazu bringen, dass wir selbstgefällig
werden, sagen: Alles ist in Ordnung. Vielmehr: Mit dem Dank für solche Treue
und Beständigkeit in der Lehre der Apostel soll sich verbinden die Bitte um
mehr Verstehen, um mehr Hören, um eine vollmächtigere Auslegung.
Wenn wir hören, dass die ersten Christen Tag für Tag sich
versammelt haben, um im Heiligen Abendmahl die Verbindung mit ihrem Heiland und
die Gemeinschaft untereinander zu feiern, so sollen wir nicht klagen, wie wenig
dies Vermächtnis Jesu heute geschätzt sei, sondern sollen dankbar sein, dass
wir immer wieder uns zu diesem Mahl zusammen finden. Freilich: Schätzen wir es
genug – schätzen wir das Band der Gemeinschaft, das es unter uns stiftet genug,
wenn wir nur einmal im Jahr feiern?
Wenn wir von der Beständigkeit im Gebet, hören, sollen wir
dankbar sein, dass dies Gebet bis heute die Kraft hatte, den Untergang der Welt
aufzuhalten. Und sollen doch zugleich um mehr Kraft, Treue, Beständigkeit
bitten.
Wenn wir hören, wie sie ihren Besitz an die Gemeinde
hingaben – wir sollen dankbar sein für die Opfer, die Jahr für Jahr in der
Kirche fallen - für die Gaben etc. an die Notleidenden. Aber können wir uns
damit begnügen? Sollte nicht mehr da sein, sollte in unserer christlichen
Gemeinde nicht vor dem Mein und Dein das Unser kommen und von daher, von dieser
Wirkung des Glaubens aus, sich vieles lösen lassen was unter uns hängt, eben
wegen des Eigensinns.
Wie der Heilige Geist wirkt – so fragen wir recht. Nicht wo
er wirkt. Dank und Bitte soll daraus kommen und das Leben aus Gott.
Amen