25./26.12.1952
15, 1-6 Fröhlich soll mein Herze 149, 1-4 Jauchzet ihr Himmel
10, 1-7 Gelobt seist du… 146,
1-7 Gel.
15, 10.11. Süßes Heil 154,
2.3 Lobt………..
13. 1-5 Lobt Gott ihr Christen
Lukas 2, 1-18
Johannes
1, 14-18
Liebe Gemeinde!
Wieder feiern wir das Weihnachtsfest, feiern es mit Lichtern
und Tannengrün, feiern es mit Gaben und Geschenken, mit den Weihnachtsliedern
und der alten, wohl vertrauten Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium.
Ja, es stimmt schon: Dies Weihnachten ist so recht ein Fest
nach unserem Herzen, ein Fest, das an unser Gemüt rührt, das uns weich und
empfänglich macht für alte Erinnerungen, und wohl auch uns anrührt mit einem
geheimnisvollen Zauber, der aus einer anderem Welt zu uns zu reichen scheint.
Doch: Haben wir Weihnachten richtig gefeiert, wenn wir uns dieser
Weihnachtsstimmung hingeben? Haben wir es richtig gefeiert, wenn unser Gemüt
froh und wehmütig zugleich angerührt wurde? Oder ist`s nicht so, dass all
unserem Feiern, gerade an Weihnachten, die große Gefahr droht, dass seine Mitte
verloren geht über all dem, was sich an Bräuchen und Gefühlen um diese Mitte
herum angesammelt hat. Dieser Gefahr gilt es zu begegnen, wenn unser
Weihnachten ein rechtes, gesegnetes Weihnachten werden soll. Darum wollen wir
uns in dieser Stunde auf die Mitte des Weihnachtsfestes besinnen, und der
Evangelist Johannes möchte uns mit seinen Worten dazu helfen, dass wir diese
Mitte nicht verfehlen, er möchte uns das wahre Licht zeigen, auf das all die
vielen Lichter, die wir an Weihnachten anstecken, hinweisen wollen.
Er nennt uns diese Mitte, nennt uns dies Weihnachtslicht bei
Namen. Doch er hat einen eigenartigen Namen für dies Weihnachtslicht: er nennt
es das Wort.
Das Wort, das im Anfang bei Gott war, das Wort durch das
alle Dinge geschaffen sind, das Wort, das das Leben ist, das Licht der
Menschen. Da er uns das Weihnachtswunder beschreiben will, wählt er nicht den
Weg des Evangelisten Lukas: Er redet nicht zu uns von Maria und Joseph, die
unterwegs sind nach Bethlehem, von der dürftigen Herberge und der Krippe, in
die das neugeborene Kindlein gelegt wird, von den Hirten mit dem Felde und der
Botschaft der Engel, die sie umfingen. Nein! Johannes malt uns nicht diese
vertrauten Bilder vor Augen, sondern er redet in tiefen und inhaltsschweren
Worten von der Bedeutung, die das Geschehen der Weihnacht hat, die es in sich
trägt für die ganze Welt, und die dieses Weihnachtsgeschehen auch für unser
Leben gewinnen will. Er sagt uns davon ein Dreifaches: An Weihnachten hat die
uralte Sehnsucht der Menschen ihre Erfüllung gefunden. Und weiter zeigt er uns,
dass diese Erfüllung verborgen ist und sich nur dem öffnet, der sich für sie
bereit macht. Und weißt uns darauf, wie wir mit hineingenommen sind in dies
weihnachtliche Geschehen, das uns reich und fröhlich macht!
1)
Niemand hat Gott je gesehen. Drückt sich nicht in diesen
Worten eine tiefe Sehnsucht der menschlichen Seele aus? Zeigt sich darin nicht
die ganze Verlorenheit und Verlassenheit allen menschlichen Lebens? Niemand hat
Gott je gesehen! Das heißt: Das Höchste, das Größte und Gewaltigste, das wir
uns überhaupt denken können, soll uns verschlossen sein. Gott zu sehen, das
würde doch heißen: Alle Sehnsucht, die unser Herz erfüllt, ist gestillt. Alle
Dunkelheit, alle Mühsal unseres Lebensweges sind gelöst. Gott zu sehen: Das
würde heißen, dass unser Leben uns seiner Enge und Begrenztheit herausgeführt
ist, dass es seine höchste Erfüllung gefunden hat. Gott zu sehen: Können wir
Menschen uns ein Größeres und Gewaltigeres ausdenken. Doch dieser Weg, er ist
uns verschlossen: Niemand hat Gott je gesehen!
Und darum lebt in unserem Herzen die Sehnsucht, Ruhe zu
finden. Darum ist unser Leben voller Dunkelheit und ungelöster Rätsel. Darum
ist es ein Leben in oft unerträglicher Enge und Begrenztheit, dass uns scheinen
will, als trügen wir schwere Lasten an Händen und Füßen, die uns hindern
wollen, unser Leben auszuleben. Ja, darum ist unser Menschenleben ein
unerfülltes, ein verlorenes und verlassenes Leben, das dahin treibt, wie eine
Eisscholle im reißenden Strom, die mehr und mehr abbröckelt und schließlich vom
Strudel verschlungen wird.
Liebe Freunde! Niemand hat Gott je gesehen! Zeigt uns dies
kleine Sätzlein nicht unsere ganz Not und Verlorenheit – zeigt es nicht das
große Dunkel, das über dem menschlichen Leben liegt? Doch nun ist der Satz des
Evangelisten ja noch nicht zu Ende – nein, er will dies ja gerade sagen, dass
dies Dunkel, die Verlassenheit unseres Lebens vorbei ist, das sie vergangen
ist, weil es Weihnachten ist. Weil die Brücke geschlagen ist über jenen
unüberschreitbaren Graben, der uns Menschen von Gott trennt. Weil einer
gekommen ist, der von Gott weiß. Weil er uns das, was wir nicht sehen konnten,
was wir nicht sehen können, verkündigt hat, will er uns vom Vater gesagt hat,
weil er damit die Dunkelheit, die über unserem menschlichen Leben liegt,
weggenommen hat; weil er die Trübsal unseres Lebens gelöst hat: „Niemand hat
Gott je gesehen; der eingeborenen Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es
uns verkündigt.“ Nun verstehen wir, warum ihn der Evangelist ihm den seltsamen
Namen gibt: „Das Wort.“ Er ist der, in dem Gott redet, ist der durch den Gott
redet. Er ist der, in dem uns die Lösung aller unserer Fragen begegnen will. Er
ist der, der nun wirklich das Licht hineinbringt in unser Leben, der uns das
woher?, und das wie?, und das wohin?, dieses Lebens zeigt. Er, dies Wort, der
eingeborenen Sohn, der Einzige, der uns Kunde gebracht hat von Gott, und der
damit unser Leben erleuchtet, dass wir wissen, wer wir sind, und dass wir die
Führungen dieses Lebens verstehen und begreifen lernen! An Weihnachten hat die
uralte Sehnsucht der Menschen, die Sehnsucht nach Licht, nach Leben, ihre
Erfüllung gefunden! Das ist das erste, was uns der Evangelist heute sagt.
2)
Doch nun das andere: Diese Erfüllung ist eine verborgene
Erfüllung, die sich nur dem öffnet, der sich für sie bereit macht. Das spricht
sich mit dem Worten aus, die uns allen bekannt und geläufig sind, und die doch
so inhaltsschwer und voll Bedeutung sind, dass wir sie kaum zu fassen vermögen:
„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Das ist doch das Anstößige an
Weihnachten, wenn wir es recht bedenken, dass das Wort Fleisch geworden ist.
Fleisch: in diesem Wort drückt sich doch die ganze Hilflosigkeit und
Nichtigkeit und Vergänglichkeit unseres Menschseins aus. Fleisch: das heißt:
Wir sind eingespannt, eingefangen in die Gesetze des Stoffes, aus dem wir
bestehen, wir sind Gesetzen unterworfen, denen wir nicht entrinnen können, der
Krankheit, dem Altern, dem Tod. Wir merken es doch alle, von Tag zu Tag
deutlicher, das wir eben nicht immer so können, wie wir gerne wollten, dass
unsere Kraft nicht Schritt hält mit dem Willen, dass wir eingefangen sind in
unserem Leib, dass wir mit diesem Leib vergehen, verfallen: Das alles umschließt
das Wörtlein: Fleisch. So ist das Wort Fleisch geworden – in diesem Fleisch hat
sich Gott offenbart: In einem Menschen, in reiner, einfacher Menschlichkeit, in
unserem Fleische, in gar nichts unterscheidbar oder unterschieden. Das heißt:
Das Wort ward Fleisch.
Es ist nicht so, dass das Wort ein besonderes Fleisch
angenommen hätte. Dass er, der uns den Vater verkündigt, doch anders wäre als
wir. Dass man ihn erkennen könnte an einer besonderen Gestalt, an einer
überwältigenden Wirkung; dass er gleichsam ein Übermensch, ein Gottmensch wäre.
Nein! Er ist ganz einfach Fleisch, er ist Mensch, wie wir, und ist doch das
einzige Wort des Vaters.
Das sollten wir sehen und erkennen – das ist das Geheimnis
von Weihnachten, „Dass dieses Kind arm, schwach und klein, soll unser Trost und
Freude sein, dazu den Feind bezwingen und Heil und Frieden bringen“. – Es mag
uns ein Anstoß sein, liebe Freunde, dass wir hier, in diesem Kind, in diesem
Menschen die Erfüllung finden für unsere Sehnsucht, dass wir hier Gott sehen sollen.
Der Evangelist weiß um diesen Anstoß, der darin liegt, dass das Wort so ganz
und gar Fleisch geworden ist, dass uns Gott so ganz und gar in menschlicher
Gestalt begegnet, dass wir so überhaupt keinen Maßstab dafür haben, ob es
wirklich Gott ist, der hier zu uns spricht – oder ein Mensch, der dann eben
etwas überspannt wäre. Der Evangelist weiß um diesen Anstoß, darum führt er uns
Zeugen an: „Johannes zeugt von ihm, ruft und spricht: Dieser war es, von dem
ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war
mehr als ich.“ Wir sollen uns durch diesen Zeugen Johannes den Täufer hinführen
lassen zu Jesus – denn er, der Täufer, sagt uns das: Hier findet ihr nicht
einen Menschen, sondern hier, in diesem Menschen, seht ihr Gott, findet ihr das
Leben, habt ihr das Licht, das alles Dunkel von euch nimmt. Hier in diesem
Menschen – nirgends sonst. Hier in dem Kind in der Krippe – hier allein. Das
ist das Andere, das Anstößige an der weihnachtlichen Erfüllung aller unserer
menschlichen Sehnsucht, dass diese Erfüllung verborgen ist, und sich nur dem
öffnet, der sich für sie bereit macht, der sich zu ihr hinführen lässt, der
alle eigenen Gedanken fahren lässt und sich allein nach dem göttlichen Lichte
ausstreckt, das ihm hier entgegen leuchtet.
3)
Doch nun weißt uns der Evangelist darauf hin, wie wir mit
hineingenommen sind in dies weihnachtliche Geschehen, das uns reich und
fröhlich macht. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir
sehen seine Herrlichkeit… und von seiner Fülle haben wir alle genommen
Gnade um Gnade…Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des
Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.“ Wer ist es denn, der hier
redet? Ist es der Evangelist Johannes allein? Oder sprechen sie hier alle, die
Augenzeugen, die dem fleischgewordenen Worte begegnet sind? Und wollten uns
mitteilen, was ihnen widerfahren ist? Ja, wird uns hier überhaupt etwas
mitgeteilt? Wer sind sie, die davon reden, dass das Wort Fleisch wurde und
unter ihnen wohnte, und dass sie von seiner Fülle Gnade um Gnade genommen
haben? Sind es allein die Apostel, jene längst vergangene Generation derer, die
Jesus von Angesicht gekannt haben? Und sind wir durch den unüberbrückbaren
Graben der Jahrhunderte davon getrennt, die Herrlichkeit Gotte in dem Menschen
Jesus wahrzunehmen, von seinem Lichte unser Dunkel erleuchten zu lassen, seine
Gnade und Wahrheit als sein Geschenk anzunehmen? Nein! Das ist das größte
Wunder der Weihnacht, dass Gott endgültig unter uns Wohnung gemacht hat, dass
er sich nicht wieder von der Welt zurückgezogen hat, sondern das sein Wort
unter uns wohnt bis auf diesen Tag. Weihnachten: Das heißt die Wahrheit und das
Licht des Gotteswortes leuchtet auch in unser Leben hinein – wir gehören mit zu
denen, die es von sich bekennen dürfen: Wie sehen seine Herrlichkeit! Dies
„Sehen“, das ist kein Sehen mit den Augen! Er ist auch kein Erkennen mit der
menschlichen Vernunft. Sondern es ist einzig und allein das Sehen des Glaubens.
Des Glaubens, der sich nicht stößt an dem Fleisch, das das göttliche Wort
angenommen hat. An der menschlichen Gestalt Jesu. An den schwachen und
unzureichenden Worten, mit denen dieser Jesus verkündigt wird. Der Glaube
erstößt sich nicht daran, sondern darf voll Freude bekennen: Das Wort ward
Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, seine
Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes.
Amen