Pfingstsonntag, 7.6.1987 Eysölden
100, 1-3
98, 1-3
99, 1-4
444
105
108, 7
Apg 2, 1-19
Joh 14, 23-27
Joh 16,
5-15
Herr, wir danken dir für die heilsame Gabe des Abendmahls.
Stärke durch sie unseren Glauben, dass wir allein dir vertrauen. Steh du uns allen
bei.
Wir bitten dich für die deine Christenheit hier und in aller
Welt. Gib deinen Geist zum Wort, dass alle Welt erkenne: Du bist der wahre
Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Wir bitten dich für die Völker und
Staaten. Gib jedem Menschen sein Recht und lass alle in Frieden miteinander
leben, die deine Geschöpfe und Kinder sind.
Wir bitten dich: Gib allen Menschen, was sie brauchen zu
einem menschenwürdigen Leben: Heimat und Brot, Arbeit und Anerkennung, Trost
und Liebe.
Segne du die Ehen. Steh Eltern und Kindern bei. Besuche die
Einsamen, hilf den Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.
Dich, o Gott, preisen wir für deine Gaben. Komm du und fülle
unsere Herzen mit Glauben, Liebe und Hoffnung, der du, wahrer Gott, lebst und
regierst, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Du unser Gott,
der du deinen Geist sendest, dass er uns in alle Wahrheit
leiten soll,
wir bitten dich,
gib das Wort unseres Heilandes in unsere Herzen, damit wir
glauben, dass du, wahrer Gott, in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Liebe Gemeinde!
Meilenweit wollte ich gehen - um die halbe Welt reisen;
nicht wegen einer Zigarette, wie es in dem dummen Reklamespruch heißt. Nein!
Meilenweit wollte ich gehen, um die halbe Welt wollte ich reisen, wenn ich nur
wüsste: Da triffst du deinen Heiland. Kannst ihn in die Augen sehen, kannst
seine Hände fassen, kannst ihm dein Herz ausschütten. Freude und Traurigkeit -
alles ihm zu Füßen legen. Die Angst und Bedrängnis, Hilflosigkeit, Unglauben
und Torheit: Alles ihm sagen. Und er würde die Hände ausbreiten: Komm! Gib mir
deine Last. Ich will sie tragen. Meilenweit würde ich gehen, um die halbe Welt
reisen - wenn ich ihn finden könnte.
Wer hat sich das nicht schon einmal gewünscht? Ob er sich`s
einzugestehen wagte, oder nicht: Denn er weiß ja, das geht nicht. Und wer will
schon einem unmöglichen Wunsch, so einem Hirngespinst nachlaufen.
Er, mein Heiland, er hat den Wunsch gekannt. Als er Abschied
genommen hat von seinen Jüngern, redet er davon. „Jetzt gehe ich hin… euer Herz
voll Trauer.“ Und sagt: Gut ist das. Denn wenn ich weggehe, dann kommt der
Tröster, der Geist der Wahrheit!
Nicht ich muss meilenweit gehen. Nicht ich muss um die halbe
Welt reisen – einem Heiland hinterher träumen, den ich so nicht finden kann. Er
kommt! Der Tröster kommt, der heilige Geist. So singen wir es heute an
Pfingsten: Komm Heiliger Geist, Herre Gott! Und er erklärt uns, wozu er kommt,
der Geist: Der Tröster ist das. Der Beistand ist es. Ein Anwalt ist er, ein
guter Anwalt, der meine Sache vertritt, der unsere Sache vertritt. Was ich
meinem Heiland zu Füßen legen wollte, die Angst, die Bedrängnis, Hilflosigkeit
und meinen Kleinglauben: Er kennt das und nimmt es auf. Er, dieser Tröster,
dieser Anwalt, er vertritt mich; er hilft mir zu meinem Recht, wie das Sache
eines guten Anwaltes ist. Wer schon einmal in einem Prozess verwickelt war, und
fühlte wohl, ich bin im Recht – unheimlich ist das doch: Werde ich auch
gewinnen? Wird es gut gehen? Da weiß einer dann, dass ein guter Anwalt auch ein
rechter Tröster sein kann. Der hilft zu recht.
Nein! Ich muss nicht meilenweit gehen, ich muss nicht um die
halbe Welt reisen, um meinem Heiland zu finden – er kommt. Der Beistand kommt,
der Tröster, der heilige Geist, mein Anwalt, unser aller Anwalt, der uns zu
unserem Recht hilft. An das Himmelfahrtslied denke ich, das ich schon so oft
und so gerne gesungen habe: „Jesus Christus herrscht als König…“ Was brauche
ich dann zu klagen? Mich zu ängsten? „In der Welt und Himmel Enden hat er alles
in den Händen, denn der Vater gab es ihm!“
Ich weiß es. Und kann es doch nicht glauben. Wie es zugeht
in dieser Welt, das sehe ich. Wer das Geld hat, der hat auch die Macht, setzt
sich durch. Ohnmächtig steh ich da – und euch wird es nicht viel anders gehen.
Da machen sie in Venedig ihren Wirtschaftsgipfel – was wird wohl herauskommen?
Ein besseres Leben? Ein gerechtes Entgelt für redliche Arbeit? Mehr soll heraus
kommen – und ich seh doch, wie alles immer hektischer wird. Leben? Immer mehr
Straßen, immer mehr Beton, mehr Lärm, mehr Druck, mehr Gift in der Luft und im
Wasser und im Boden. Ich mache keinen einen Vorwurf: Wer nicht mitmacht, kommt
gleich unter die Räder. Was ist das für eine Welt? Gottes Welt und das Leben meines
Heiland – „Alles ist ihm untertänig?“ Auch diese Brüsseler Kommission? Auch
dieser Markt? Auch dieses hektische Leben, in das wir hineingezwungen wurden?
Wer kann das glauben?
Er kommt, der Anwalt, und vertritt uns. Er verschafft dem
Glauben sein Recht. Die Welt wird er strafen –wird sie überführen, wird ihr die
Augen auftun. So heißt es hier. Jesus sagt es: „Über die Sünde, dass sie nicht
glauben an mich.“ Unglauben ist das, der da meint: Wir schaffen uns das Leben.
Unglaube diese ganze Hektik. Nicht bloß nach draußen kann ich da zeigen. Nein!
Auch nach drinnen muss ich zeigen: Ich selbst bin mit dabei. Wie gut ist da der
Beistand, der Anwalt, der Geist der Wahrheit. Aus dem Wort der Wahrheit holt er
mir den Trost: „Vor dem Herrn erhebe, du Erde, vor dem Gott Jakobs, der den
Felsen wandelte in einen See und die Steine in Wasserquellen.“ Das kann ich mir
vorsagen, vorsingen – das ist mir Trost! Da weiß ich`s wieder, was Sache ist:
Das Leben Gottes, nicht der Tod.
O nein! So leicht kommt der Glaube nicht zu seinem Recht,
dass er bloß Augen und Ohren zumachen müsste und sich nicht um diese Welt zu
kümmern brauchte. Aber wir haben den Beistand bei uns, der unser Recht, das
Recht des Glaubens, unseres Glaubens, meines Glaubens vertritt. Gewiss: Wir
können das singen und uns darüber freuen, dass Jesus Christus als König
herrscht. Aber er sagt es ja: Um die Gerechtigkeit wird dieser Beistand die
Welt überführen, dass Jesus zum Vater geht, und wir ihn hinfort nicht sehen.
Meilenweit wollte ich gehen, um die halbe Welt wollte ich reisen, um ihn zu
finden, ihn zu sehen, mich hinzuknien vor ihm und seine Hände zu fassen! Er hat
Abschied genommen, unwiderruflich. Aber er lässt uns nicht allein. Was Sache
ist – das ist gemeint mit dem Wort Gerechtigkeit: „Ihr Christen, glaubt, was
ihr wollt. Aber was hier in der Welt zu geschehen hat, das bestimmen wir.“ Die
Experten bestimmen es, die Agrarexperten und die Wirtschaftsexperten, die
Energieexperten und die Rüstungs– samt den Abrüstungsexperten, die
Verkehrsexperten und so weiter. Dumm könnte sich einer vorkommen, und fühlt
doch: So darf das nicht sein. Wenn mein Heiland bei seinem Vater ist – und hat
alles in seinen Händen – dann darf es doch nicht so sein! Ich muss Bescheid
wissen, wie es kommt, will wissen, ob sich das Vertrauen lohnt! Da kommt er,
der Beistand, meine Anwalt, der Geist der Wahrheit. Bringt mir des Heilands
Worte in den Sinn: „Ich danke dir…“
Wir haben allen Grund zur Zuversicht. Jetzt, in diesem Leben
und in alle Ewigkeit. Und doch schüttelt einer nur zu leicht den Kopf und zuckt
resignierend mit den Schultern: Da kann einer nichts machen. Viel zu stark ist
dies alles: Die Technik und dieser Markt, der die Preise verdirbt, diese elende
Politik und all der Eigensinn und die Bosheit, die herrscht. Das drückt dir den
Hals ab - dagegen kommt keiner an. Aber der Tröster der Anwalt, der Beistand:
Er kann es. Vom Gericht ist da die Rede – er wird der Welt die Augen auftun,
über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht: Dass der Fürst
dieser Welt gerichtet ist. Im Lutherlied singen wir doch: „Mit unserer
Macht…ein Wörtlein kann ihn fällen.“ Hört ihr`s:
Ein Wörtlein! Wenn mich die Angst packen will, die
Verzweiflung, die Resignation: Dann flüstert er`s mir ein, der Tröster, der
Anwalt, der Geist der Wahrheit: „Vor dem Herrn erbebe, du Erde, vor dem Gott
Jakobs – der den Felsen wandelte in einen See, und die Steine in
Wasserquellen.“ Nichts ist`s mit dem Tod! Das Leben behielt den Sieg – es hat
den Tod verschlungen. So ein Wörtlein kann ihn fällen: Da liegt er, der Fürst
der Welt, mit seinen Sachzwängen und mit seinem Experten, mit seinem
hochtrabenden Gehabe: „Ich danke dir, Vater im Himmel, dass du solches den
Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja
Vater! Denn es ist also wohlgefällige gewesen vor Dir.“
Meilenweit wollte ich gehen, wollte um die halbe Welt
reisen. Aber er kommt selbst zu mir. „Es ist gut für euch, wenn ich weggehe“,
sagt mein Heiland. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu
euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“ Herr Jesus Christus:
Dank sei Dir für deine Freundlichkeit. Du nimmst mich an in deinem Wort. Du
tröstest mich. Beim Vater bist du, und stehst für mich ein. Dein ist alle Macht
im Himmel und auf Erden. Herr mein Gott ich danke dir, dass du mir freundlich
begegnest. Von Deiner Güte lebe ich. Jeden Atemzug gibst du mir deine Fülle zu
schmecken, dass ich weiß, wem ich mein Leben verdanke. O Geist des Vaters und
des Sohnes. Du kommst! Meines Gottes Worte, meines Heilands Worte flüsterst Du
mir ein, dass ich verstehe, und glaube, und weiß: Recht habe ich damit und darf
mich Gottes und seines Heilands freuen.
Amen.