Rogate, 24.5.1981 Martin-Luther-Kirche,
Büchenbach
Intr. 10
235, 1-4 Wunderbarer König
241, 1-4 Vater unser im Himmelreich
100, 5-8 Komm, Balsam Gottes
139 Verleih uns Frieden
Lukas 11,
5-13
Herr unser Gott,
der Du uns erhältst in deiner Schöpfermacht,
wir bitten dich,
lass uns deine Güte erkennen und allein bei dir Hilfe
suchen,
durch unseren Herrn Jesus Christus, deinem Sohn, der mit dir
und dem Heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit.
Amen
Herr, unser Gott,
Du allein kannst uns helfen.
Wir bitten dich für deine Kirche: Führe du uns durch dein
Wort zusammen, dass wir in deinem Heiligen Geist Frieden halten. Gib unserem
Zeugnis Kraft und Eindeutigkeit. Lass deine Gemeinde an diesem Ort durch Wort
und Sakrament erbaut werden zu deinem Lob.
Wir bitten dich für unseren Staat, die Politiker, die
Parteien und Verbände: Wecke die Bereitschaft, auf aufeinander zu hören und so
zu entscheiden, wie es recht ist für uns und die, die nach uns kommen werden.
Gib du uns den Frieden mit allen Völkern dieser Erde.
Wir bitten dich für alles Leben auf unserer Erde. Lass es
reich werden und sich entfalten und wehre du der Gewalt, die wir Menschen
ausüben zum Schaden und nicht zum Nutzen deiner Geschäfte.
Wir bitten dich Herr: Erhöre uns gib uns deinen Heiligen
Geist.
Amen
Liebe Gemeinde,
Beten und Beten ist nicht immer ein- und dasselbe. Ich meine
sogar, dass in unserem Text von zweierlei Art Gebet die Rede ist. Da ist einmal
das Gebet, zu dem wir dringlich aufgefordert werden: Bittet, so wird euch
gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn
wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft,
dem wird aufgetan. Der Vergleich mit dem bittenden Freund, der unterstreicht
die Dringlichkeit dieser Aufforderung zum Gebet. Ich will gleich versuchen,
noch etwas genauer zu beschreiben, was hier gemeint ist. Doch zunächst der
Hinweis auf die zweite Art des Gebetes. Auch sie wird mit einem Vergleich
eingeführt: Der Vater weiß, was der Sohn braucht, und gibt ihm das, was für ihn
gut ist, und nicht das, was ihm unbrauchbar oder gar gefährlich ist. So ist es
auch mit Gott: Er gibt dem, der ihn bittet, den heiligen Geist. Was das für
eine Art des Gebetes ist, muss ich dann weiter erläutern. Sie unterscheiden
sich durch die Zeit, diese beiden Arten des Gebetes. Für die erste Art des
Gebetes ist immer Zeit. Darum ist hier auch die dringliche Aufforderung: Die
zweite Art des Gebetes dagegen, die Gott mit der Gabe des Heiligen Geistes
beantwortet, die hat ihre besondere Zeit. Darum ist hier auch nicht die
Aufforderung zum Gebet das Wesentliche, sondern der Zuspruch: Gott wird in
dieser Zeit den, der ihn anruft, gewiss nicht im Stich lassen.
Fangen wir nun mit unseren Überlegungen bei dem Gebet an, zu
dem immer Zeit ist. Es ist das Gebet, in dem wir uns selbst sozusagen in der
Hand haben. Und werden dann aufgefordert, uns gerade so auf Gott und seinen
Willen auszurichten. Bitten, suchen, anklopfen ist da von uns gefordert. Ich
will mich einmal gerade an die mittlere Bestimmung halten: Solches Gebet, das
ist ein Suchen. Es sucht Gott! Ich meine damit nicht dies, dass ein solches
suchendes Gebet nicht den Weg zu Gottes Ohr und Herzen finden könnte. Das setze
ich hier voraus, dass unsere Gebete nicht ins Leere gehen, sondern Gott finden.
Aber trotzdem sage ich nun: Das Gebet, diese ständige und inständige Bitten,
das da von uns gefordert ist, das sucht Gott. Es sucht Gott auf, in dem, was
uns begegnet, in dem, was wir zu entscheiden haben, in dem, was uns Sorge
macht. Wenn ich nicht so recht weiß, wie es weitergehen soll, dann frage ich
mich ja, ob es so gut wäre und nicht anders vielleicht doch besser. Um im von
Jesus gebrauchten Bild zu bleiben: Wenn da das Kind etwas haben will, was nicht
gut ist – was dann? Wenn es zum Beispiel so eine Maschinenpistole aus Plastik
haben will, damit es auch mitmachen kann, wenn die anderen Totschießen spielen
– ist es gut, wenn es da seinen Willen bekommt? Ich könnte das dann gleich
übertragen: Wenn wir uns sorgen um unseren immer brüchiger werdenden Frieden –
und erträumen uns dann, die Unseren würden eine Waffe erfinden, die es möglich
machte, der ganzen Welt den Frieden so aufzuzwingen, wie wir uns das wünschen
und denken – wäre das gut? Und könnten wir darum Gott ernsthaft und inbrünstig
bitten? Oder wenn wir uns wünschten, endlich alle finanziellen Sorgen los zu
werden - und bäten Gott, er möge und doch endlich im Lotto gewinnen lassen –
wäre das gut? Würden solche Bitten Gott antreffen – so antreffen, dass da unser
Wille mit Gottes Willen übereinkommt? Ich wenigstens kann mir das nicht
vorstellen, und habe darum derlei törichte Bitten schon lange aufgegeben.
Das Gebet, zu dem wir hier aufgefordert werden, sucht Gott.
Es sucht, so könnte ich auch sagen, den guten Willen Gottes in dem, was ansteht;
Und wir sind bei einen solchem Suchen ja auch nicht allein gelassen.
Vor dem Abschnitt, der heute unser Predigttext ist, wird von
der Bitte der Jünger Jesu berichtet: Herr, lehre uns beten. Und Jesus hat diese
Bitte damit beantwortet, dass er seinen Jüngern das Vaterunser lehrte, das bis
heute das hervorgehobene Gebet in unseren Gottesdiensten ist. Dieses Gebet des
Herrn können wir nicht nur als Gebettext gebrauchen, indem wir es nachsprechen.
Es kann auch unser Gebet, in dem wir so Gott suchen, leiten, damit dieses
Suchen nicht in die Irre geht. Gott im Gebet suchen, das hieße, in den
anstehenden Fragen das suchen, was Gottes Namen heiligt. Nämlich das, was ihn
Gott sein lässt, und nicht nach anderen Aushilfen sucht und das Vertrauen an
das hängt, was nicht Gott ist. Das ist nicht leicht. Darum sind wir ja zum
inständigen Bitten aufgefordert, zum Suchen, zum Lernen. Gott im Gebet suchen,
das hieße, das suchen, in dem uns Gottes Reich nahe kommt. Also das, worin er
selbst regiert, und nicht irgendwelche anderen Herren, vor denen wir uns
fürchten, das Sagen haben. Ich weiß, die Angst ist nicht gering, und wir sind
leicht dabei, ihr nachzugeben und uns da dann Herren zu unterwerfen, vor denen
wir uns um Gottes Willen nicht fürchten sollten; Gott im Gebet suchen, das
hieße, in seinen Willen einstimmen. Wissen wir, was dieser Wille Ist? Biegen
wir nicht nur zu leicht das, was uns da vorkommt, so zurecht, wie es uns bequem
und angenehm erscheint? In Gott freie Menschen – das sollten wir werden. Und
suchen es im Gebet.
Für solches Bitten, das Gott sucht im dem, was ansteht, ist
immer Zeit. Darum ist da auch die Aufforderung angebracht, solches Bitten
gewiss nicht sein zu lassen, sondern hartnäckig und inständig bei solchen
Bitten zu bleiben. Doch da ist die andere Art von Gebet, die wir auch noch
bedenken sollten, jenes Gebet, das Gott mit der Gabe des heiligen Geistes
beantwortet. Ich habe schon gesagt: Es ist das Gebet, das in einer besonderen
Zeit geschieht. Das ist die Zeit, in der wir mit unserem Können am Ende sind.
Man sucht diese Zeit nicht, ganz gewiss nicht, diese Zeit der Angst, diese
Zeit, in der es einem den Atem abdrücken kann, diese Zeit der Enge, die Zeit,
in der einem die Hände gebunden sind und er nichts, gar nichts tun kann.
Wahrscheinlich kennen viele unter Ihnen auch diese Zeit und wissen, wie es da
ist: Da braucht einer nicht mehr dazu aufgefordert werden: Jetzt bete! Da ist
das Gebet sozusagen ganz selbstverständlich da. Es richtet sich auf Gott, der
allein hier helfen kann. Und Jesus sagt: Da wird Gott selbst sich des bittenden
Menschen annehmen. Es wird sein Geist diesen Menschen sozusagen bei der Hand
nehmen und ihn führen, wie es für ihn gut ist. Mir sind dazu ein paar
Liederverse und ein Bibeltext eingefallen, die ich Ihnen nennen möchte. Da ist
der Vers von Paul Gerhardt, der diese besondere Zeit beschreibt: „Meiner Seele
Wohlergehen hat er ja recht wohl bedacht; will dem Leibe Not entstehen, nimmt
ers gleichfalls wohl in acht. Wenn mein Können, mein Vermögen nichts vermag,
nichts helfen kann, kommt mein Gott und hebt mir an, sein Vermögen beizulegen.
Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.“ Was hier beschrieben
wird, das führt das Lied von Martin Luther als Anrufung des heiligen Geistes
aus: „Du höchster Tröster in aller Not, hilf dass wir nicht fürchten Schand
noch Tod, dass in uns die Sinne nicht verzagen, wenn der Feind wird das Leben
verklagen. Kyrieleis.“ Wenn es so weit ist, wird Gottes Geist selbst eintreten
in unsere Not und durchtragen durch diese Not. Wie Paulus das im Römerbrief
beschreibt: „Desgleichen auch der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Denn wir
wissen nicht, was wir beten sollen, wie sichs gebührt; sondern der Geist selbst
vertritt uns mit unaussprechlichen Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der
weiß, was des Geistes Sinn sei; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott
gefällt.“ Das ist die besondere Zeit – in der es die Aufforderung zum Gebet
nicht braucht. Da ist Gottes Gabe dieses, das er selbst eintritt in unser
Nichtkönnen, und uns durchträgt.
Es sind zwei Arten des Gebetes, von denen hier die Rede ist,
und sie unterscheiden sich dadurch, dass für die eine immer Zeit ist, währende
die andere zur besonderen Zeit jenes Nichtkönnens gehört. Wir unterscheiden
sie, diese Arten des Gebetes und ihre Zeiten. Zugleich aber gehören sie
zusammen. Nicht nur, weil sie sich an denselben Gott richten mit ihrer Bitte
und Erwartung. Vielmehr lernen wir im Gebet, für das immer Zeit ist, was uns
nottut, und üben ein, was wir brauchen, wenn die andere, die besondere Zeit
durchzustehen ist.
Amen