22.11.1981
Martin-Luther-Kirche, Büchenbach
120,
1.2.5.6 Es ist gewisslich
121,
1-3 Wachet auf
309,
1-3 Mitten wir im Leben sind
320,
1-7 Jerusalem
Intr. 18
Lukas 12, 42-48
Herr,
unser Gott,
der
du uns geschaffen hast und gibst uns Zeit, dir zu leben nach deinem Gefallen,
wir
bitten dich,
hilf
uns wahrzunehmen, was du uns in unserer Zeit zukommen lässt, damit wir für dich
bereit sind, wenn du unserer Zeit ihr Ende setzen willst,
durch
unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir in der Einheit des
Geistes lebt und regiert in Ewigkeit.
Amen
Himmlischer
Vater,
wir
danken dir, dass du uns nicht unserem eigenen Wollen überlässt, sondern unsere
Zeit bestimmst nach deinem Gefallen.
Wir
bitten dich für die Christenheit, dass sie ihr Zeugnis in Wort und Tat nicht
versäumt, sondern ohne Menschenfurcht einsteht für deinen Frieden.
Wir
bitten dich für die Politiker, die Macht haben. Gib ihnen die Bereitschaft, aufeinander
zu hören und miteinander zu tun, was für uns alle gut ist. Lass insbesondere
den Besuch von Leonid Breschnew in Bonn dazu dienen, dass unsere Völker und
Staaten sich näher kommen in einem gerechten Frieden, der allen dient.
Wir
bitten dich, lass uns Wege finden, dass die Arbeitslosigkeit bei uns und in
aller Welt überwunden wird und wir teilhaben an den Gaben, die du uns
zuwendest.
Herr,
bewahre du unsere Toten in deinem Gedächtnis und erwecke uns am Ende de Zeit zu
deinem ewigen Leben!
Amen
Liebe
Gemeinde!
Wir
feiern heute den letzten Sonntag des Kirchenjahres. Ob einer diesen Sonntag
nach alter Gewohnheit als Totensonntag versteht, oder ihn als Ewigkeitssonntag
begehen will, das macht nicht viel Unterschied: In jedem Fall lassen wir uns
daran erinnern, dass unsere Zeit begrenzt ist. Begrenzt ist meine eigene Lebenszeit.
Daran erinnert mich der Totensonntag nicht nur allgemein, sondern so, dass er mich
an die denken heißt, für die aus meinem näheren und weiteren Lebenskreis im
vergangenen Jahr dieses Ende gekommen ist. Begrenzt ist aber auch die Zeit unserer
Welt. Daran erinnert der Ewigkeitssonntag. Es läuft mit dieser Welt nicht immer
weiter und weiter. Gott, der ihren Anfang setzte, hat ihr auch ihr Ende
bestimmt.
Der
letzte Sonntag des Kirchenjahres fordert uns dazu auf, das Ende zu bedenken –
das Ende
meiner
Lebenszeit, das Ende dieser Weltzeit. Nun will aber der Abschnitt aus dem
Lukasevangelium, den ich heute auszulegen habe, uns davor bewahren, dass dieses
Denken ans Ende ein ängstliches oder wehmütiges Gefühl bleibt, das uns zwar
eine kurze Zeit bestimmen kann; aber es trägt nicht dazu bei, dass wir für
unser Leben eine gute Orientierung gewinnen; hier ist nicht einfach vom Ende
dieser Zeit die Rede. Das ist zwar auch angesprochen, dort, wo auf das Kommen
des Herrn hingewiesen wird. Aber zugleich will das kleine Gleichnis Jesu daran
erinnern: Nicht erst das Ende der Zeit ist durch den Herrn bestimmt. Jetzt
schon bestimmt er unsere Zeit. Es ist ja gerade nicht so, dass der Knecht, von
dem da die Rede ist, nach Belieben über seine Zeit verfügen könnte, solange der
Herr fort ist. Er hat zu tun. Und es wäre der größte Fehler, den er machen
könnte, wenn er meint: Jetzt habe ich erst einmal Zeit, das zu tun, was ich
will! Bis zum Ende, da dauert es noch. Mein Herr verzieht zu kommen. Nein! Jetzt
schon ist die Zeit durch diesen Herrn bestimmt. Wir sollen dieser Bestimmung
nachkommen, nach dem Willen Gottes in dieser Zeit haushalten.
So
weit, denke ich, ist das Gleichnis Jesu sonnenklar. Wenn wir nun wüssten, genau
wüssten, was das heißt: Nach dem Willen Gottes mit der Zeit bis zum Ende
haushalten – dann brauchten wir uns nicht mehr viel Gedanken zu machen. Aber
was heißt das – die Zeit nach Gottes Willen gebrauchen? Darüber wollen wir
nachdenken.
1)
Zunächst:
Was ist das eigentlich, diese Zeit, die wir als treue Haushalter gebrauchen?
Wir haben es da schwer, so denke ich schon. Denn im Grunde kennen wir doch kaum
mehr eine andere Zeit als die, die durch unseren eigenen Willen bestimmt ist.
Jeder von uns hat seine Uhr am Handgelenk, und die meisten haben auch noch
ihren Terminkalender in der Tasche. Da ist die Zeit sauber in Portionen
eingeteilt, Sekunden und Minuten und Stunden, Tage und Wochen und Monate und
Jahre. Und wenn wir jetzt hören: Geh haushälterisch um mit deiner Zeit – dann
ist der erste Gedanke doch der: Verschwende diese Zeit nicht! Vergeude sie
nicht mit unnützen Dingen. Geh sorgfältig mit dieser Zeit um. Das ist schon gut
– unser ganzes Leben, unsere modere Welt, ist durch einen solchen sorgfältigen
Umgang mit der Zeit bestimmt. Und wir sind vielleicht sogar recht verständnislos
anderen Menschen, anderen Kulturen gegenüber, die ein anderes Verhältnis zur
Zeit haben, und wenn wir mit solchen Leuten zu tun haben, regen wir uns auf
über die Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit und Schlamperei.
Aber
nun meine ich, wie müssten gerade hier aufpassen, dass wir den Sinn von Jesu Gleichnis
nicht genau auf den Kopf stellen. Wir halten Haus mit unserer Zeit. Was da
angedeutet ist als Fehlverhalten des Knechtes, das kommt für uns nicht in
Frage: Mitmenschen ungerecht und unwürdig behandeln, Schlemmerei und Sauferei –
aber ist das denn gemeint? Ist der Gegensatz, auf den Jesus mit seinem
Gleichnis hinweist, nicht ganz anders zu verstehen? Da ist einer, der weiß:
Mein Herr bestimmt, was meine Zeit ausfüllt – und hält sich daran. Und er wäre
untreu, und müsste den Zorn seines Herrn erwarten, wenn er das vergäße und
sagte: Ich bestimme, was meine Zeit ausfüllt. Es mag sein, dass das jetzt recht
hart klingt, für uns mit unseren Uhren und Terminkalendern. Aber sind die nicht
ein Zeichen dafür, wie wir über unsere Zeit verfügen, fast selbstverständlich?
Ob wir dann noch die Zeit wahrnehmen können, die durch Gott selbst bestimmt
ist?
2)
Wie
nehmen wir diese Zeit wahr? Das wäre nun die zweite Frage, der wir nachzudenken
haben. Sollten wir unsere Uhren und Terminkalender wegwerfen, und uns in einem
neuen Lebensstil versuchen – aussteigen, wie das heute Manche machen? Ich
glauben nicht, dass das der rechte Weg wäre, so sehr ich die Probleme sehe, die
wir mit unserer Zeit haben, der so genau geregelten und verplanten Zeit.
Ich
will dagegen auf Gelegenheiten hinweisen, die uns wahrnehmen lassen, wie über unsere
Zeit bestimmt ist. Vielleicht ist der Eine oder Andere von ihnen im Laufe dieses
Jahres genötigt gewesen auszusteigen – nicht im Urlaub: Den haben wir ja auch
schon sauber eingeplant. Aber weil er krank geworden ist. Es ist sicher
zunächst ärgerlich, wenn die Arbeit dann liegen bleibt, und wichtige Termine
abgesagt werden müssen. Aber kann eine solche Krankheitszeit nicht auch zur guten
Zeit werden? Da greift uns einer dazwischen, erinnert uns daran: Deine Zeit ist
in meiner Hand! Das kann schmerzlich sein, zunächst wenigstens, so wie die Streiche
schmerzlich sind, die die ungehorsamen Knechte erleiden müssen in unserem Gleichnis.
Aber wir können dann wieder wahrnehmen, was wahrzunehmen notwendig ist: Über meine
Zeit verfügt der, der mir diese Zeit gibt.
Er
kann so über diese Zeit verfügen, dass er mir die Gewalt nimmt, mit der ich
über meine Zeit verfügen will. Er zeigt mir das, indem er mich den Tod anderer
Menschen erfahren lässt. Wir respektieren das ja auch noch. Die Verpflichtung,
an einer Beerdigung teilzunehmen, einem Toten die letzte Ehre zu erweisen, geht
anderen Verpflichtungen vor. Doch vielleicht braucht es gar nicht immer dieses
deutliche Eingreifen. Vielleicht sind wir wach geworden, durch diese oder eine
ähnliche Erfahrung. Und merken dann, wie der Herr in unsere Zeit hineinkommt –
auch ganz anders hineinkommt in kleinen, ungeplanten Begegnungen, die glücklich
machen. Vielleicht fast unbemerkbar und unbemerkt: In der Kassenschlange des
Supermarktes sitzt vor mir im Einkaufswagen der Mutter ein kleines Kind – und
wir haben einen Augenblick Zeit für einander uns anzulächeln und Verstecken zu
spielen. Das ist eine gute Zeit! Deshalb eine gute Zeit, weil da etwas gelingt,
unbeachtet und unbemerkt von Anderen.
Nicht
nur begrenzt ist unsere Zeit! Der am Ende kommt schickt uns seine Ankunft jetzt
schon herein in diese Zeit. Und das ist dann gute Zeit – die uns gerne auf den
warten lässt, der Herr unserer Zeit ist.
Amen