Palmsonntag, 12.4.1987 Bauchenbach
Stübach
70, 1.2 Ich grüße
dich
Intr. 7
66, 1-3 Du großer
Schmerzensmann Phil 2, 5-11
55, 1 O Lamm Gottes
Joh 12, 12-19
54, 1.2 O Mensch,
bewein Markus 14, 3-9
139 Verleih uns Frieden
Du unser Gott,
der du uns freundlich entgegenkommst in deinem Evangelium,
wir bitten dich, lass uns deine Güte erkennen und Dir
danken,
durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, Deinen Sohn,
der mit dir und dem heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit.
Amen
Herr, du unser Gott und Vater:
Wir bitten dich um dein heilsames Wort. Segne deine Gemeinde
hier an diesem Ort und in aller Welt. Gib dein Evangelium in die Ohren und
Herzen, dass die Menschen dich erkennen und ihnen geholfen wird.
Wir bitten dich für die Völker und Staaten. Gib du allen
Menschen ihr Recht und ihre Freiheit. Wehre der Unterdrückung und der Gewalt.
Schaffe du Einsicht bei den Herrschenden, und hilf uns zum Frieden.
Wir bitten dich um deinen Segen für alle Arbeit. Gib du,
dass deine Gaben allen denen zuteil werden, die sie brauchen. Gib du Arbeit und
Brot, gib Heimat und gib Anerkennung, und lass die Menschen leben und glücklich
sein vor Dir.
Sei du mit allen Eheleuten. Segne Eltern und Kinder. Hilf
den Kranken. Geleite die Sterbenden. Tröste die Trauernden.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leucht und ein Licht auf
unserem Wege. Lass uns dies Wort leuchten jeden Tag, den du uns schenkst.
Amen
Liebe Gemeinde!
Das jedenfalls ist klar für den, der eben zugehört hat:
Richtig rechnen und das Richtige tun, das ist zweierlei: So hat es Jesu gesagt,
als er die Frau in Schutz nahm: „Sie hat es gut gemacht.“ Und also haben die
Leute, die diese Frau anfuhren, nicht recht gehabt. Vergeudung, so sagten sie,
ist das, was diese Frau getan hat. Unverantwortlich ist das, so sagten sie,
angesichts all der Armut; und ist es nicht wirklich die allerdringlichste
Aufgabe, solcher Armut abzuhelfen, gegen den Hunger in aller Welt anzukämpfen,
damals wie heute? Das hat Jesus ja nicht bestritten: Arme habt ihr allezeit bei
euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun! Aber trotzdem: Sie hat es
gut gemacht, die Frau. Sie hat getan, was sie konnte.
Vielleicht verstehen wir ein bisschen besser, warum die
Leute sich so aufgeregt haben über diese Frau und das, was sie getan hat, wenn
wir auf die Summe blicken, von der da die Rede ist: Mehr als dreihundert
Silbergroschen. Als in Jesu Gleichnis der Hausherr sich Arbeiter für seinen
Weinberg dingte, da machte er mit ihnen einen solcher Silbergroschen als
Taglohn aus. Dreihundert Silbergroschen – das wäre also ein gutes
Jahresverdienst. Wenn wir es heute nehmen, käme da eine fünfstellige Summe
heraus! Und wofür ist sie ausgegeben? Bloß, um da dem Gast mit dem Wohlgeruch
eine Freude zu bereiten, und ihn eine Ehre zu erweisen.
Vergeudung? Das ist richtig gerechnet – und wenn denn
gerechnet sein soll: Dann haben die Leute recht, die da von einer Vergeudung
reden. Das lohnt sich doch nicht. Das zahlt sich doch nicht aus. Aber richtig
rechnen können, und das Richtige tun: Das ist zweierlei. Und Jesus hat das ja
sehr deutlich gesagt: Gut hat sie es gemacht, die Frau. Ich weiß nicht, genau
was sie gedacht hat. Als Jesus da war, im Haus, beim Essen als Gast, da hat sie
gewiss nicht gerechnet: Nein! Für ihn ist das Beste, was ich habe, gerade gut
genug. Und holt dieses Duftwasser, und gießt es aus über Jesu Haupt, wie man
das damals mit einem besonders werten Gast gemacht hat. Gerechnet hat sie da
gewiss nicht – ob es nicht ein paar Tropfen auch getan hätten; den Rest hätte
man ja für eine andere Gelegenheit aufheben können! Wie wenn noch einmal eine
solche Gelegenheit auch bloß denkbar gewesen wäre: Gut hat sie es gemacht, die
Frau, weil sie die Gelegenheit wahrgenommen hat, und hat getan, was sie konnte.
Richtig rechnen können, und das Richtige tun: Das ist nun einmal zweierlei.
Die sich da aufregten, über die Vergeudung dieses kostbaren
Duftwassers, die haben nicht kapiert: So eine Gelegenheit kommt nicht wieder.
Aber Jesus hat es dieser Frau ja ausdrücklich bestätigt: Sie hat das begriffen.
Arme habt ihr allezeit bei euch – die Gelegenheit, denen zu helfen, die ist
immer da. Aber mich habt ihr nicht allezeit! So ist das. Darum hat die Frau es
gut gemacht, weil sie die Gelegenheit erkannt hat, und genützt hat. Und Jesus
beschreibt noch genauer, was da geschehen ist. „Sie hat meinen Leib in Voraus
gesalbt zu meinem Begräbnis.“ Sie haben das nicht verstanden, und haben das
nicht begriffen, die damals dabei waren im Hause Simons, des Aussätzigen - mag
sein, dass das einer gewesen ist, den Jesus geheilt hat. Sie dachten: Das geht
so weiter, mit Jesus. Wenn er es ihnen sagte, dass er sterben müsse -sie haben
das nicht begriffen. Vielleicht dachten sie: Gott rechnet auch so! Welche
Vergeudung! So ließe sich das doch auch von Jesu Sterben sagen. Wenn einer da
anfängt zu rechnen: War das nicht in der Tat eine unverantwortliche Vergeudung?
Kaum ein Jahr hat sie gedauert, die Zeit der Öffentlichen Wirksamkeit Jesu. Wie
vielen Menschen hätte er noch helfen können, wie er diesem Simon, dem Aussätzigen
geholfen hat, bei dem er nun zu Gast war. Oder ich denke an die Worte Jesu:
„Seht die Vögel unter dem Himmel an. Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie
sammeln nicht in die Scheunen - und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid
ihr denn nicht viel mehr als sie?“ Wie viele solche Worte hätte er noch prägen
können – Worte von Ewigkeitswert. Wahrscheinlich haben die, die damals dabei
waren im Hause Simons, so ähnlich gedacht. Sie konnten es sich gar nicht
vorstellen, dass Gott für seinen Sohn dieses Leiden, diesen elenden
Kreuzigungstod bestimmt hatte: Welche Vergeudung! Die Frau aber hat etwas
gemerkt. Darum hat sie getan, was sie konnte. Sie hat es gut gemacht – „Sie hat
ein gutes, ein schönes Werk an mir getan.“ So bestätigt ihr das Jesus.
Sie hat es gut gemacht, weil sie mit dabei war. Dort war sie
mit dabei, wo Gott sein Werk getan hat, und Jesus hat dies Werk Gottes getan.
Das war gut so: Dies Leiden, dies Sterben, zu unserem, zu der Sünder Heil. Und
da hat diese Frau mitgemacht, hat Jesu Leib im Voraus gesalbt zu seinem
Begräbnis, wie er ihr das bestätigt hat.
Nein! Mit Rechnen und Berechnen kann einer Gottes Werk nicht
begreifen, und erst recht kann er nicht mittun bei diesem Werk. Aber die Frau
hier, die war dabei, die hat getan, was sie konnte. Sie hat es gut gemacht. Und
ist dafür von Jesus gelobt worden. Nicht nur dies eine Mal: Weiter wird sie so
gelobt: „Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller
Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“ Wir
sind ja eben dabei: Gut hat sie es gemacht, die Frau. Ein schönes Werk hat sie
an Jesus getan: Sie ist dabei gewesen, nicht bloß als Zuschauer, dort, wo Gott
unser aller Heil bewirkt hat. Da könnte einer direkt neidisch werden, bei solch
einem Lob! Ein einziges Mal nur etwas tun wie diese Frau! Ein einziges Mal nur
dabei sein, dort, wo Gott sein heilsames Werk tut. Und so gelobt werden: Das
würde sich doch lohnen!
Sicher, mit Rechnen und Berechnen kommt einer da nicht weit.
Bei solchem Tun, da darf nicht bloß der Kopf bestimmen; da muss das Herz mit
dabei sein. Bis heute ist sie nicht vergessen, diese Frau. Ist sie nicht im
Grunde doch billig dazu gekommen? Denken wir bloß einmal an die großen Herrn,
die viel Geld ausgeben, und gewaltige Bauten hinsetzen, damit sein nicht
vergessen werden. Aber wer sagt da denn nachher: Gut hat er`s gemacht? Neidisch
könnte man werden, auf die Frau und darauf, dass sie die richtige, die
einmalige Gelegenheit erkannt hat, und dass sie diese Gelegenheit genützt hat.
Was weiß ich, ob meine Gelegenheit nicht schon längst da gewesen ist. Bloß,
dass ich sie nicht gesehen, und nicht genützt habe. Aber vielleicht kommt sie
noch. Oder sie ist schon gewesen, und wurde genützt – und Gott hat es behalten,
und mein Lob ist aufgehoben im Himmel!
Jedenfalls: Richtig rechnen, und das Richtige tun, das ist
zweierlei.
(Amen).