Pfingsten,
10.6.1973
100,1-3 Jauchzt,
Erd und Himmel
152, 1.2 Ich bin
getauft
99,1-4 Nun bitten
wir
194, 4-5 0 heiliger
Geist, o heiliger Gott
104,6
Joh 16,12-15
1.Kor 2,6-16
Liebe Gemeinde!
Wir wollen bei dem einen Satz anfangen mit unserem Nachdenken
der uns wohl allen unmittelbar einleuchtet: „Welcher Mensch weiß, was im
Menschen ist, als allein der Geist des Menschen, der in ihm ist?“ Keiner von
uns kann dem anderen ins Herz sehen – so sagen wir. Nur sich selbst kann jeder
von uns kennen – sich selbst, mit seinen Gedanken und Hoffnungen, und Wünschen.
Auch mit der Sorge, mit der Angst, die er sich vielleicht gar nicht eingestehen
will, die aber doch irgendwo in einen Winkel des Herzens sitzt.
Nur sich selbst kann jeder von uns so richtig kennen.
Und das geht dann ja noch ein gutes Stück weiter, als bis zu dem, was jeder
ist. Wir bleiben ja nicht nur bei uns selber. Wir wollen auch weg, - weg zu
einem andern besseren Leben. Wir träumen – auch wenn wir wach sind. Wir denken
uns aus, was wir sein möchten – besser, klüger, stärker, reicher, Fußball
spielen können – wie Franz Beckenbauer oder Gerd Müller; das ist so ein Traum.
Schön sein und reich, wie Grazia von Monako oder Jacky Onassis – das ist so ein
Traum. Es gibt andere Träume: etwas zu erfinden, was die Menschheit vorwärts
bringt. Ein guter Mensch zu werden, irgendwo zu helfen, wo die Not gerade am
größten ist, wie Albert Schweizer es mit seinem Urwalsspital vorgemacht hat.
Auch das gehört zu dem Innersten, das nur wir selber kennen,
diese Träume, Wünsche, Sehnsüchte! Und es gehört dazu, dass wir hinter diesen
Träumen zurückbleiben müssen. Ist man jung, hat man das Leben noch vor sich,
dann kann man sich einbilden, man könne dies und jenes, was man sich da
erträumt, doch noch verwirklichen. Aber wir lernen es dann rasch, zurückzustecken.
Wir kommen an unsere Grenzen – und werden hier festgehalten. Wir wollen dann
oft gerne bei uns bleiben - denn wenn wir so aus uns herausgehen, stoßen wir an
die Grenze, über die wir nicht hinübersehen, und die wir doch alle
überschreiten müssen: Das Ende unserer Möglichkeiten, der erträumten genauso
wie der realen, der Tod. Wir kennen sie ja, erinnern uns gut an die, die uns
vorausgegangen sind über diese Grenze – die Eltern, Schulkameraden, Freunde,
der Ehegatte. Da bleibt dann erst recht die Frage zurück: Wer bin ich denn, so
bei mir selbst, und zugleich außer mir! Man könnte lange nachdenken über dieses
seltsame Menschenwesen, das nicht bei sich selber bleiben kann, das über sich
hinaus will, im Wünschen und Hoffen, wie in der Sorge und Angst.
Jeder von uns kennst sich selbst allein richtig! Und doch
kennen wir uns auch gegenseitig, weil wir an diesem Menschenwesen teilhaben.
Doch und sollen wir ja gerade nicht bei diesem Menschenwesen stecken bleiben.
Das wird hier in diesen Worten des Apostels Paulus ja nun als Beispiel
genommen, an dem wir verstehen lernen sollen, was Gottes Geist heißt, der heilige
Geist, dessen Fest wir heute feiern. „Welcher Mensch weiß, was im Menschen ist,
als allein der Geist des Menschen, der in ihm ist. So weiß auch niemand, was in
Gott ist, als allein der Geist Gottes.“
Doch dabei soll es nun nicht bleiben, dass wir da einfach
unsere Selbsterfahrung nun auf Gott übertragen und sagen: Bei Gott, da ist es
genauso wie bei uns. Wie bei uns jeder bloß sich selbst so ganz richtig kennt –
so kennt auch Gott selbst sich allein richtig: Nein! Da heißt nun die
Folgerung ganz anders: Dieser Geist Gottes, der Gott selbst kennt – das ist der
Geist, den wir empfangen haben. Es ist der Geist, dessen Ausgießung wir heute
am Pfingstfest feiern.
Es soll nun niemand von vornherein sagen: Ich kenne
ihn nicht, diesen Geist. Ich habe ihn nicht empfangen. Wir sollten gerade hier
vielmehr die Bibel beim Wort nehmen, sehen zu, wie es mit diesem Geist Gottes
steht. Was das bedeutet, dass uns Gottes Geist gegeben ist, das will ich einmal
so formulieren:
Gottes Geist gibt uns Raum zum rechten Leben – einmal, indem
er uns an Jesus Christus zeigt, was solches rechte Leben ist. Zum anderen,
indem er uns damit falsche Versprechungen durchschauen lehrt. Zum dritten,
indem er uns mit kommen lässt in das rechte Leben Jesu Christi.
1.
Gottes Geist gibt uns Raum zum rechten Leben, indem er uns
an Jesus Christus zeigt, was dieses rechte Leben ist. Sicher, wir alle haben
schon von Jesus gehört – vielleicht so oft, dass wir sagen: was soll da schon
dran sein! Nun – je mehr ich über Jesus nachdenke, desto mehr muss ich mich
wundern über sein Tun, über seine Worte, über sein Geschick! Was ist das für
ein Menschenleben!
Sein Tun! Denken wir daran, wie er die Menschen
durchschaute, wie das keiner von uns kann. An zwei Geschichten will ich
erinnern. Da war dieser reiche Zollpächter Zachäus in Jericho – als
Kollaborateur und Betrüger geächtet. Jesus hat ihn von seinem Baum heruntergeholt.
Ich muss heute bei dir einkehren. Oder da war jener Gelähmte, den sie durch die
Decke herunterließen. Und statt ihn ganz gesund zu machen, sprach ihn Jesus
Sündenvergebung zu: mit Gott musst du in Ordnung kommen.
Oder ich denke an Jesusworte wie dies „Liebet eure Feinde…,
auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne
aufgehen über die Bösen und über die Guten, und lässt regnen auf Gerechte und
Ungerechte“. Du brauchst nicht mehr nach dem „warum“? zu fragen. Wir sehen es
ja, dass es so ist. Was einer braucht, das soll er bekommen. Oder denkt an das
Gebet: Das uns Jesus selbst gelehrt hat, das Vaterunser, in der Zucht und
Klarheit seiner Worte (oft das einzige, was man an einen Gottesdienst noch
haben kann!)
Was ist das für ein Mensch, der so die Worte gesetzt hat,
dass sie nach zweitausend Jahren fast noch wie neu sind.
Ich denke daran, wie er in den Tod gegangen ist, und ich
denke daran, wie uns seine Auferstehung von den Toten bezeugt wird. Das heißt
doch: mit ihn kann es nicht vorbei sein. Dieses Menschenleben bleibt, für ihn
gibt es kein: „Vorbei“. Vielleicht begreifen wir das, wenn wir uns in seine
Taten und in seine Worte versenkt haben! Dahin sollen wir uns träumen!
Gottes Geist hilft uns zum rechten Leben, indem er uns
an Jesus Christus zeigt, was solches rechte Leben ist. Und nun sage niemand, er
könne das nicht sehen. Gewiss, das ist eine Sache zum Verwundern – aber uns ist
sie durch Gottes Geist gezeigt. Das hilft uns aber auch, mit andern zurecht
zukommen!
2.
Gottes Geist hilft uns zum rechten Leben, indem er uns
falsche Versprechungen durchschauen lässt. Vielleicht habt ihrs noch im Ohr,
wie Paulus diese Weisheit des Gottesgeistes, der Weisheit dieser Welt
entgegensetzt: „Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den vollkommenen.
Nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, welche
vergehen…“
Die müssen wir nun genauer in Auge fassen, diese Herrscher!
Nicht Personen sind damit gemeint, unser Bundespräsident oder Bundeskanzler,
oder auch Leute, die noch viel mehr zu sagen haben in unserer Welt, Nixon oder
Breschnjew, oder Mao. Gemeint sind da die falschen Versprechungen eines rechten
Lebens – denen wir alle leicht geneigt sind zu glauben: „Hast du was, so bist
du was“.
Und dann rackert sich einer sein Leben lang ab. Wir meinen:
Leben heißt, etwas zu leisten. Und je mehr einer leistet, desto besser hat er
gelebt. Leben heißt, sich etwas leisten – leisten können vom Glück, den
schnellen Wagen, und viel …erleben, Reisen – das soll das wahre Leben sein. Das
wird uns ja eingehämmert, unsere Werbung tut da das ihre.
Glauben wir das – träumen wir uns da hin? Aber das ist nicht
das recht Leben. Da hat Alter keinen Platz – und wir alle müssen altern. Da hat
Krankheit keinen Platz, Mühe, Sorge – erst recht nicht der Tod. Paulus redet
von den Herren dieser Welt – die vergehen, weil sie Gottes Weisheit nicht
begreifen, wie sie in Jesus Christus erschienen ist. Gottes Geist lehrt uns,
die falschen Versprechungen dieser Herren zu durchschauen. Wer das Leben Jesu
und seine Menschlichkeit sieht, der weiß da Bescheid: Was uns hier versprochen
wird, das ist nicht das rechte Leben!
Aber ist uns den geholfen, wenn wir statt solchen falschen
Versprechungen nun Jesus nachträumen. Es wäre schon, ihm wenigstens von weiten
zu sehen, was sich der Zachäus ausmalte, als er auf seinen Baum geklettert ist.
Aber wir sind da näher dran:
3.
Gottes Geist gibt uns Raum zum rechten Leben, indem er uns
mit Jesus mitkommen lässt. Was für einen Sinn hat die Taufe? Doch den, dass
beide zusammengehören, der Dreieinige Gott und der Mensch, den wir auf den
Namen dieses Gottes taufen. Mitkommen – das heißt dann, hier einen Schritt in
der Menschlichkeit tun lernen, wie sie Jesus zeigt, und dort einen Schritt
beten lernen – und also Gott mehr trauen als der Macht der Umstände (…zwischen
Menschen). Und zwischen – nicht dem falschen Versprechen vom Glück, sondern
eine Schritt über die Grenze riskieren – des Vorurteils, der Feindschaft. Das
geht oft nicht leicht. Aber Gottes Geist lässt uns da mitkommen! Der Realität
ins Auge sehen, dem Altern, dem Sterben - müssen: Da vollendet sich das Leben,
in ein ungeahntes und undenkbares Neues hinein. So sieht das aus! Sage niemand:
Damit fange ich nichts an. Gottes Geist ist da, fängt mit uns an – er gibt uns
Raum zum rechten Leben. Amen