Ostern, 3.4.1988
Röthenbach/Pegnitz
79, 1-6 Gelobt sei Gott Intr. 10
81, 1-3 Mit Freuden zart Mk 16, 1-8
86, 1-5 Auf, auf, mein Herz 1. Sam 2, 1-10
75 Christ ist erstanden
Du unser Gott,
der du lebendig bist und das
Leben gibst,
du hast Jesus Christus vom
Tod erweckt, damit wir eine lebendige Hoffnung haben, durch ihn, unsern Herr
und Bruder, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert in
Ewigkeit.
Liebe Gemeinde,
gerne bin ich aufgewacht in
den letzten Tagen und erst recht heute, und habe im ersten Morgenlicht auf das
Lied der Amsel gehört, und darauf gewartet, wie die anderen Sänger eingefallen
sind, der Buchfink, die Lerche und all die anderen, die uns anzeigen: Es ist
Frühling. Gerne bin ich aufgewacht, gerade heute, und freue mich an diesem
Ostertag, an den Frühlingsblumen, an den Sonnenschein. Freue mich, dass wir die
Osterlieder miteinander singen können, das Halleluja, und das Osterevangelium
gehört zu haben. So ist das gut! Gerne bin ich aufgewacht, und bin froh und
dankbar, dass ich diesen Tag erlebe.
So ist das gut! Jawohl, es
ist gut, dies Leben, die Vögel, die Blumen, das Licht und der Frühling. Und die
Menschen, die sich daran freuen. Nicht nur ich bin gerne aufgewacht in diesen
Tagen. Vielen wird es so gegangen sein. Das ist gut! Und ich kann das nun
gewiss nicht so eng sehen, dass ich meine, nur dort habe Gott selbst an diesem
Leben, und habe, er an seinen Menschen die rechte Freude, wo diese auch sagen,
ihn vortragen: „Lobt den Herrn!“ so heißt das. Lobt den Herrn! Denn es ist gut
so. wie das hier im Gebet, der Hanna geschickt: „ Mein Herz ist fröhlich in dem
Herrn, mein Haupt ist erhöht in dem Herrn, Mein Mund ist aufgetan wider meine
Feinde, denn ich freue mich deines Heils.“ So selbstverständlich ist das nicht.
Freilich! Es ist ein
Widersprechen – ein Dagegensprechen, diese Gotteslob: Halleluja! Denn es ist
gut so. Feinde nennt sie, die da betet, Freude meint dieses Lied, das sie sich
gewählt hat, um ihr volles Herz auszuschütten im Lob Gottes. Und wir brauchen
diese Feinde nicht lange und nicht weiter zu suchen. Sie sind bei uns, mit uns,
in uns: Worte, Gedanken, die Hinreden und die Zweifel. Einreden und Zweifel
gerade der Osterfreude gegenüber. Vornehm kann das einer ausdrücken, mit
Goethes Faust: „Die Botschaft hör ich wohl - allein mir fehlt der Glaube!“ Und geht damit auf Distanz: So nicht!
Halleluja! Lobt den Herrn! Es ist gut so: Solche Aufforderung und solche
Behauptung setzt das Gotteslob dem Zweifel, setzt es allen Einwänden entgegen.
Und will nicht unser Herz diesem „Halleluja! Es ist gut so!“ nur zu gerne recht
geben – trotz allem, was dagegen spricht. Gerne bin ich aufgestanden, und viele
mit mir. Ich freue mich an diesem Tag, freu mich, dass ich in erlebe, freue
mich an der Fülle des Lebens in mir und um mich. Und frage mich dann selbst –
nicht nur draußen sind sie ja, die Fragen und Zweifel, sind mir vielmehr nahe,
wie ich mir selbst nahe bin: Macht du dir nicht etwas vor? Gut, du bist gerne
aufgestanden, und viele andere auch. Aber das heißt doch langen noch nicht,
dass es gut so ist, wie es ist. Gut, du hast es mitgesungen, das Halleluja!
„Des Morgens früh am dritten Tag, da noch der Stein am Grabe lag, erstand er
frei ohn alle Klag. Halleluja!“ Aber das ist lange her, und gesehen habe ich das
nicht. Aber der Tod ist nahe und sichtbar: Viele Tode, der des alten Freundes,
der Kinder, die ertunken sind im Hochwasser der letzten Wochen. Sechs
Milliarden Menschen sollen bald in dieser Welt leben: Sechs Milliarden
Menschen: Das heißt doch auch sechs Milliarden Tote, die sie sterben werden.
Ein Auferstandener gegen sechs Milliarden Tote? Was ist das für ein absurdes
Verhältnis? Und wenn die sechs Milliarden zuviel sind, als dass wir uns dabei
etwas vorstellen könnten: Ich habe im Gedächtnis, was sie uns am Dienstag im
Fernsehen gezeigt haben, die Kirchen, die durch das irakische Giftgas getroffen
wurden. Der Vater, schützend über sein kleines Kind gebeugt, beide tot,
erstickt: Zwei Tode sind das nur von diesen sechs Milliarden – aber das reicht,
genug und übergenug.
Gerne bin ich aufgewacht –
gerne erlebe ich diesen Tag, und singe das „Halleluja!“ – Lobt den Herrn – es
ist gut so! Aber da drin sitzen sie, die Gedanken, sitzen im Kopf und im Herzen
– die Fragen, die Zweifel: Machst du dir nicht etwas vor? Und wenn ich anfrage,
diesen Fragen, diesen Zweifeln Raum zu geben: Wie bei einem Dammbruch ist das –
auch das hat man uns ja gezeigt: Die aufgeweichte Stelle, an der der Damm
nachgibt – und bald ist da kein Halten mehr, und die Fluten brechen durch und
überschwemmen das schutzlose Land. Da hilft es dann wenig, wenn sich einer
sagt: Auf dich, bloß auf deine Seele und ihre Rettung kommt es an! Lass die
Welt, Hauptsache, du kommst heraus und davon, wie die Feuerwehrleute, die der
Hubschrauber von der durch die Fluten umspülten Dammkrone abgeholt hat. Nein!
Das ist mir zu wenig: Heute bin ich gerne aufgewacht und freue mich gerade an
dieser Welt, der Amsel und dem Buchfink, den Krokussen, den Primeln und den
Leberblümchen, der Sonne und den Menschen: Das vor Augen will ich sagen: Es ist
gut so!
Was mir da hilft? Nicht
meine Gedanken; die gehen hin und her, im Spruch und Widerspruch, mit Ja und mit Nein! Was mir da hilft? So ein altes
Lied, wie das Gebet der Hanna, das hilft: Oder ein Choral, wie das gewaltige
Osterlied Luthers: „Christ lag in Todesbanden, für unsere Sünd gegeben, der ist
wieder erstanden und hat uns bracht das Leben. Das wir sollen fröhlich sein,
Gott leben und dankbar sein und singen Halleluja. Halleluja!“ Das kann ich mir
zu eigen machen, wenn die Dämme brechen wollen. Das kann ich mir zu Hilfe
nehmen, wenn Fragen und Zweifel kommen. Darauf kann ich mich einlassen: Nicht
meine Gedanken allein, meine Worte, Hoffnungen und Wünsche sind das. Viele
haben sich daran gehalten, vielen hat solch ein Lied geholfen. Und es ist doch
nicht bloß der Widerspruch gegen die „Feinde“, gegen Fragen und Zweifel, gegen
mich selbst mit meinen Fragen und Zweiflern: Das auch, und trefflich sagt es
der Psalm, was ich mir selbst sagen muss: „Es ist niemand heilig wie der Herr,
außer dir ist keiner, und ist keine Fels, wie unser Gott ist.
Lasst unser großes Rühmen
und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der Herr ist ein
Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen.“ Es ist nicht nur dieser
gute und notwendige Widerspruch. Da ist die Erfahrung: Not war da, Tod war da
und das Leben hat gewonnen. Gott hat geholfen.
Wer hat das nicht auch schon
erlebt – und kann seine Erfahrung beitragen, und sie einbringen in diese Worte
des Gotteslobes. Sie hat darin Platz, unsere Erfahrung; wie die Erfahrung der
Hanna in diesem Psalm eine unnütze Frau, nicht die Luft wert, die sie einatmet:
So sah man das damals. Ihr Gebet, und die Erhörung, die ist der alte Priester Eli angekündigt hatte. Und dann die
Schwangerschaft, und die Geburt des Samuel, durch den Gott seinem Volk helfen
wollte: Dem allem, dieser Hilfe, durch die ihr Leben neu wurde, gab sie
Ausdruck durch diesen Psalm, der Gott lobt, indem er aufzählt, was Gott tut:
(Zitat 4-8)
Wer weißt das nicht? Wer
kennt das nicht auch: Angst, Sorge, Ausweglosigkeit – und dann hat sich doch
ein Weg gezeigt, auf dem es weitergehet. Eine Krankheit – die Operation: Und
dann das Aufwachen, zu einem neuen Leben. Die Trauer, in der mit dem lieben
Menschen alles zu Ende scheint. Und dann zeigen sich neue Wege und neue
Möglichkeiten, und Zuversicht und Freude. So ist das doch! Jeder kann und darf
seine Erfahrungen einbringen in diese Worte, in dieses Gotteslob. Es hat dafür
viel Raum, wie ein weites Gefäß. Und es darf uns dann auch nicht bekümmern,
dass die Worte oft fast zu groß erscheinen für unsere kleine, persönliche Welt
und das, was wir da erleben. Noch einmal will ich die Worte des Psalms
anführen. Jeder mag sich und sein Erleben dann hier unterbringen und einbringen:
(Zitat 1-10).
Nicht nur deshalb gehört er
zu Ostern, dieser Psalm der Hanna, weil da auch dies gesagt wird: „Der Herr
tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder hinauf!“ auf den
König läuft es hinaus, auf den Gesalbten Gottes, seinen Christus. Wir machen
unsere Erfahrungen auch, jawohl! Gerne bin ich aufgewacht und freue mich,
diesen Tag zu erleben, und Gott zu loben. Aber da kann der Widerspruch bleiben,
Zweifel und Fragen. Dort sind die Zweifel und Fragen am Ende, wo wir diesem Christus
Gottes begegnen unserem Herrn! Wo wir sein Leben mitleben und haben das Wort:
Jetzt. Und wie Gott, ich lobe dich!
Du machst es gut. Du gibst
Leben und Freude die Fülle. Ich danke dir für die Vögel, die Blumen, das Licht
und die Menschen. Ich danke dir, dass ich gerne leben darf.
Mein Heiland, ich preise
dich! Du hast den Tod auf dich genommen, damit wir der Liebe Gottes gewiss dein
können. Dein Kampf ist unser Sieg, dein Tod ist unser Leben, deine Auferweckung
ist unsere Hoffnung und Trost.
Gott, heiliger Geist, ich
rühme dich! Du bist mir nahe in den guten Worten, die mir helfen wider Fragen
und Zweifel. Du tröstest mich, und machst mich der Güte Gottes gewiss.
Amen.
Du unser Gott!
Mach uns deines Lebens
gewiss, dass wir uns freuen können an deiner Fülle. Groß bist du und hoch zu
loben, wunderbar ist deine Hilfe.
Für deine Gemeinde an diesem
Ort bitten wir und für alle Glaubenden. Gib ihnen Mut, dem Zweifel zu
widersprechen und dein Heil zu bezeugen. Öffne du deiner Wahrheit Ohren und
Herzen und lass uns dir allein vertrauen im Leben und im Sterben.
Für die Völker und Staaten
bitten wir, für Regierende und Regierte, für alle, die Macht haben, und für
alle, die Macht erleiden. Schaffe du Recht, Freiheit und Frieden. Lass du die
Einsicht wachsen, dass wir uns im Vertrauen zueinander und miteinander Frieden
haben können.
Gib du allen Menschen, was
sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Bewahre alles Leben in
dieser Welt und wehre der Ausbeutung, der Verschwendung, der Kurzsichtigkeit und
allen Eigennutz.
Sei du mit deinem Segen bei
Ehe und Familie. Besuch die Einsamen, hilf den Kranken, geleite die Sterbenden,
tröste die Trauernden.
Von dir ist alles Leben, und
steht allein in deiner Hand. Dir Herr. Lass uns vertrauen, du großer Gott, der
die Toten auferweckt und den ruft, was nicht ist, dass es sei.
Amen