2. Kor 4, 11-18 14.11.1954,
Altburg
285, 1-3 Herr wie du willst 36, 1-3
123, 1-4 Wir warten dein 535, 1-4
260, 6.7 Jesu hilf siegen 421, 8.9
247, 3 Herzlich lieb 279, 3
Matth 22, 23-33
2 Kor 4, 11-18
Liebe Gemeinde!
Wir sind wohl alle
miteinander ziemlich misstrauische Menschen. Ich jedenfalls glaube nicht so
leicht alles, was mir vorgesetzt wird, und wenn es auch in der Zeitung steht.
Ich glaube zum Beispiel nicht, dass es fliegende Untertassen gibt, in denen
menschenähnliche Wesen aus dem Weltenraum unserer Erde einen Besuch abstatten.
Das glaube ich so lange nicht, bis ich mit eigenen Augen eine solche fliegende
Untertasse gesehen habe. Ich glaube auch nicht, dass in Lourdes oder Fatima die
heilige Mutter Gottes den katholischen Gläubigen leibhaftig erschienen ist, und
dort nun ein Wunder nach dem anderen vollbringt. Ich glaube das nicht, ehe ich
mich nicht mit eigenen Augen davon überzeugt habe, dass es so etwas wirklich
gibt. Ich lasse mich auch nicht so leicht überzeugen, wenn etwa ein Politiker
in einer Wahlversammlung vorne am Rednerpult steht und ein großartiges Programm
entwickelt, und behauptet: Wenn ihr mich wählt, dann habt ihr die Garantie,
dass ich alles tue, bloß damit es euch gut geht.
Ich werde sorgen, dass die
Steuern herabgesetzt werden. Ich werde sorgen, dass die Wirtschaft floriert,
ich werde sorgen, dass der Friede erhalten bleibt. -Wenn ich so etwas höre oder
lese, dann denke ich: Guter Mann, da nimmst du aber den Mund doch ziemlich
voll. Lass mich erst einmal sehen, was du fertig bringst. Nachher kannst du dann immer noch große
Reden halten. Und wenn einer an meine Tür kommt mit einem Ballen Stoff unterm
Arm, und das Blaue vom Himmel herunter redet, und mir klar machen will, was ich
da für einen günstigen und preiswerten
Kauf machen kann, dann lasse ich mich bestimmt nicht an der Nase herumführen,
sondern schicke ihn möglichst schnell wieder dahin, woher er gekommen ist. – So
meine ich das, wenn ich sage, wir seien doch wohl alle ziemlich misstrauisch.
Ja, wem kann ich denn überhaupt trauen? Am ehesten doch wohl mir selber und
meinen fünf Sinnen. Ich will mit eigenen Augen sehen und mich überzeugen
können; ich will etwas in der Hand haben, das ich auch wirklich festhalten
kann, mit dem ich bestimmt nicht betrogen bin.
Jawohl, wir sind
misstrauisch, liebe Freunde. Und sind wir`s nicht mit Recht? Denn wo kämen wir
hin im Leben, wenn wir jedem alles glauben würden. Haben wir nicht dazu unseren
Verstand im Kopf, dass wir prüfen, was richtig und was falsch ist. Dass wir uns
darauf einrichten, was das Leben von uns verlangt. Dass wir mit beiden Beinen
auf der Erde stehen, und uns nicht so leicht umwerfen lassen von einem, der uns
ein X für ein U vormachen will.
Genau darauf kommt es an,
liebe Freunde, dass wir uns kein X für ein U vormachen lassen.
1)
Darum fordert uns der
Apostel Paulus heute zuerst einmal auf: Bemüht doch eure Sinne und euren
Verstand, schaut doch einmal noch genauer hin, als ihr das sonst gewöhnlich
tut. Schaut noch genauer hin!
Wohin denn? Nun, der Apostel
Paulus weist die Christen von Korinth, an die er diese Zeilen gerichtet hatte,
zuerst einmal auf sich selber. Schaut mich einmal genau an, mich, den Apostel
Paulus, der euch gepredigt hat, der euch zu Christen gemacht hat. Wir kennen ihn
nicht, wie ihn die Korinther gekannt haben, liebe Freunde. Aber dieser Paulus
war kein sehr imponierender Anblick.
Das können wir aus manchen
Äußerungen in seinen Briefen und in der Apostelgeschichte entnehmen. Eine frühe
christliche Schrift, die nur wenig jünger ist als das Neue Testament,
beschreibt einmal den äußeren Anblick des Apostels: Er sei ein sehr kleiner
Mann gewesen, bucklig, mit einem kahlen Kopf und krummen Beinen. Er war
bestimmt keiner, der Kraft und Leben und die Stärke verkörperte, die sich in
dieser Welt durchsetzt, die uns Eindruck macht, die uns als Vorbild vor Augen
steht, das wir gerne erreichen möchten.
Aber Paulus will, dass wir
noch genauer hinschauen: Nicht nur auf die zufällige Äußerlichkeit seiner
Gestalt. Schaut mich an, schaut an, was mit mir geschieht: Ich wurde immer dar
in den Tod gegeben, ja, der Tod ist mächtig in mir, mein äußerer Mensch
verdirbt. Jawohl, schauen wir genau hin, damit wir uns ja nicht täuschen über das,
was wir sehen. Paulus, der stellt sich selber als Beispiel uns vor Augen; denn
er spürt es genauso, er nimmt es an sich selber wahr, wie mächtig der Tod ist,
wie die Vergänglichkeit in ihm Platz hat, wie sei ihm Stück für Stück seines Lebens
entreißt: Aber, liebe Freunde! Eigentlich haben wir es ja gar nicht nötig, auf
den Apostel Paulus zu sehen. Wenn wir nur richtig die Augen aufmachen, dann
wird uns die Tatsche selber ganz klar werden, von der Paulus redet. Die Tatschache,
dass der Tod in uns mächtig ist. Liebe Freude! Die Macht des Todes hat uns
nicht erst dann, wenn wir den letzten
Atemzug tun, wenn unser Herz aufhört zu schlagen, wenn wir kalt und starr da
lieben, wenn es aus ist, diese Leben. Nein, die Macht des Todes, die hat uns vom
ersten Augenblick unseres Lebens an. Die zeigt uns, dass wir Menschen sind, die
gar nicht so können, wie sie wollen. Unser Leib hat seine eigenen Gesetze; er
will essen und trinken und schlafen. Er schreibt uns sehr genau vor, wie
schnell wir gehen, wie viel wir haben, die schwer wir tragen, wie lange wir
arbeiten können, Und dann ist`s aus mit der Kraft, dann können wir einfach beim
besten Willen nicht mehr. Und was wir schon am gesunden Leib merken, das merken
wir noch viel klarer und deutlicher am
kranken Leib, und am Leib der alt wird und den seine Kräfte verlassen!
Schaut genau hin – so mahnt
uns Paulus, schaut genau hin, dann merkt ihr gewiss, dass es stimmt, was ich
sage: Der Tod ist mächtig in uns.
2)
Aber das genügt nun nicht:
Denn was haben wir damit schon erreicht? Dass wir alle sterben müssen, das ist
eine Binsenweisheit. Und es gibt doch Menschen, für die das Sterben gar kein
Müssen ist, sondern ein Dürfen, Menschen, die ihre Lieben alle schon im Grab
wissen, Menschen, die nichts mehr erwarten von Leben, Menschen, die fast
zusammenbrechen unter der Last ihres Lebens, und unter der Last auch ihres
kranken Leibens, der Schmerzen, die in den Gliedern, oder im Herzen nagen und
bohren. Für einen solchen Mensch ist doch der Gedanke an den Tod ein schöner
Gedanke. Und wer noch nicht sterben will, der denkt am Besten gar nicht daran.
Das ist ein grundverkehrter
Standpunkt, liebe Freunde!
Und darum ist es sehr gut, und sehr, sehr notwendig, dass uns
der Apostel Paulus eindringlich mahnt:
schaut genau hin, und lasst euch nicht betrügen.
Von wem denn betrügen? Von
dem was ihr seht! Von euren eigenen Augen, und von eurem eigenen Verstand. Denn
eure eigenen Augen, und eurer eigener Verstand, die stehen ja selber unter der
Macht des Todes! Wir Menschen müssen alle sterben – Das ist eben die Ordnung
dieser Welt, das ist ein Gesetz, das über uns steht, und gegen das wir gar
nichts tun können. Ordnung dieser Welt? So zeigen es uns unsere Augen, so redet
es unser Verstand uns ein. Eine Ordnung, die uns vielleicht nicht so sehr
passt, aber der wir uns eben fügen müssen, gegen die es kein Aufbegehren gibt.
Nein! Das ist keine Ordnung, sondern
eine gräuliche, verkehrte Unordnung. Das ist der große Betrug, dem wir gar so
leicht verfallen, dass wir meinen: Das geht schon in Ordnung, wir müssen einmal
sterben, also richten wir uns darauf ein, und machen aus unserem Leben, was
sich daraus machen lässt. Geben wir und damit abgefunden, dass das eben stimmt,
was wir vor Augen sehen, das wir uns darauf eben einrichten müssen?
Liebe Freunde! Lasst euch
nicht betrügen von dem, was ihr vor Augen seht. Findet euch nicht damit ab,
dass wir Menschen in diesem Leben eben unter der Herrschaft des Todes stehen so
als ob das ganz in Ordnung wäre. Paulus, der sagt es sehr deutlich: Ich glaube,
darum rede ich. Ich glaube, dass diese Herrschaft des Todes nicht in Ordnung
ist, und darum sage ich`s euch mit allem Nachdruck: Lasst euch nicht betrügen.
Lasst euch nicht betrügen von euren Augen, lasst euch nicht betrügen von eurem Verstand,
lasst euch nicht betrügen von Tod und Vergehen, die ihr vor Augen seht.
3)
Ja, Paulus mahnt uns weiter:
Schaut weit genug, bleibt nicht am Sichtbaren hängen, blickt hinein ins
Unsichtbare, von dem euch Gottes Wort Kunde gibt.
Dann seht ihr, dass dort im
Unsichtbaren nicht der Tod herrscht, die Zeitlichkeit, die Vergänglichkeit,
sondern das Leben, die Ewigkeit, die Herrlichkeit, Ja, ihr seht noch mehr: Ihr
seht, dass ihr mit dazu gehört, so wie ihr seid, jetzt und hier, das ihr hineingehört
in dieses unvergängliche, herrliche Leben. Denn Gott will es so. „Ob unser äußerlicher
Mensch verdirbt, so wird doch unser innerer erneuert von Tag zu Tag.“ Darf ich`s
mit einem Bild ausdrücken: Wenn wir ein baufälliges Haus haben, dann gibt es
zwei Möglichkeiten: Entweder wir stützen und flicken und reparieren, damit es
doch noch möglichst lange hält, oder wir reißen es ab und stellen ein neues
hin. Das ist gemeinhin eine Frage des Geldbeutels. – Unser leibliches Leben,
das ist auch so ein baufälliges Haus. Aber da hilft der dickste Geldbeutel gar
nichts, denn einen neuen Leib und ein neues Leben gibt es nun einmal nicht zu
kaufen. Also – das ist doch ein ganz klarer Schluss – stützen wir diesen Leib und
diese Leben mit allen möglichen Mitteln, um doch wenigsten möglichst lange und
möglichst angenehm in dem baufälligen Haus unseres leiblichen Lebens zu
verweilen – Trugschluss des Verstandes, der sich täuschen lässt von den Sinnen.
Andere Möglichkeit: Gottes Verheißung eines neuen Hauses, neuen Leibes, neues
Lebens. Aber nur, wenn das alte Haus abgerissen wird. Das heißt Paulus „in den Tod
gegeben werden um Jesu willen“ Also zwei Möglichkeiten: Stützen oder abreißen.
Wie sieht das jetzt aus. Auftrumpfen, daheim oder in Nachbarschaft – sonst
komme ich ja unter den Schlitten. Geld – ich brauche es, um ja durchzukommen,
um mir etwas leisten zu können. Jammern und Klagen, wenn die Kraft versagt,
wenn ich spüre, dass das alte Haus doch zusammenbricht. Gott baut uns ein neues
Haus, wenn wir getrost da alte abbrechen lassen. Etwas dazu tun. Auf den Tisch
schlagen – Halt! Abbrechen. Kollegen besser herausgekommen im Akkord. Wurmt!
Halt! Abbrechen. Schmerzen und Gebrechlichkeit des Leibes. Gut so! Abgebrochen
muss werden. Jemand braucht Hilfe: Hand, Geldbeutel, Ohr, Herz: So brichst du
das das alte Haus ab.
Wenn du so das alte Haus
abbrichst, wenn du so in den Tod gegeben wirst um Jesu Christi, dann wird auch
das Leben Jesu offenbar an unserem sterblichen Fleische. Wer aufs Sichtbare
blickt schüttelt den Kopf: Der ist schön dumm… Aber wer weiter hinausschaut,
sagt: Getrost das alte Haus dieses leiblichen Lebens abgebrochen, wenn es auch
weh tut. Denn das neue Haus, das Gott der Herr baut, wächst. Der innere Mensch
wird von Tag zu Tag erneuert. Du weißt es, spürst es, glaubst es. Es ist nicht
zu Ende, wenn die alte Hütte dieses leiblichen Lebens abgebrochen ist. Gott wird
uns darstellen, wird uns aus dem Nichts (ausführen) wiederaufstellen, mit
unserem Herrn Jesus Christus im ewigen Leben. Amen