8. nach Trinitatis, 19. Juli
1959
Wolfenhausen/Nellingsheim
128, 1-6 Gott ist gegenwärtig (275)
226,1-5 O gläubig Herz, gebenedeit (199)
145, 6 Herr, für dein Wort (182)
128, 7.8 Gott ist gegenwärtig
Joh 5, 19-27
Jer. 23, 16-29
Liebe Gemeinde!
Was wir zunächst heraushören
aus diesen Worten des Propheten Jeremia, ist die scharfe Anklage gegen seine
Gegner, gegen die Lügenpropheten, gegen die Träumer, welche die Wunschträume
ihrer eigenen Herzen als Gottes Wort ausgeben, welche damit die Menschen von
Gottes Wort weg in ihr Verderben führen.
Und doch – sehen wir genauer
zu, dann merken wir, dass diese Anklage nicht das einzige, nicht das erste und
wichtigste ist, was der Prophet zu sagen weiß. Viel wichtiger ist dies, dass er
seinen eigenen Standpunkt enthüllt, den Ort, von dem aus er seine Anklage gegen
jene Volksverführer richtet.
Da hören wir ihn fragen: „Wer
hat im Rat des Herrn gestanden, dass er ihn gesehen und sein Wort gehört hätte?
Wer hat sein Wort vernommen und gehört?“ Nicht wahr – wir sind es
gewohnt, auf solche Fragen zu antworten mit dem einen Wörtlein: „Niemals – aber
so meint es der Prophet gerade nicht.
Vielmehr: Wenn er so fragt –
wer hat im Rat des Herrn gestanden?“ – so bedeutet das seine Herausforderung an
die falschen Propheten: „Ich weiß, was kommt!“ „Ich kenne Gottes Ratschluss“.
Und er sagt es dann ja ausdrücklich, wie dieser Ratschluss lautet: „Es wird
ein Wetter des Herrn kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den
Kopf des Gottlosen niedergehen.“
Er, der Prophet, er weiß
Bescheid, während die anderen, die Lügenpropheten, nicht besser sind als das
unwissende Volk, das Gott nicht kennt und seine Wege nicht versteht – die erst
hinterher begreifen, was gespielt wurde: „Am Ende der Tage werdet ihr es
klar erkennen.“
Nein! Der Prophet Jeremia
selber, der ist anders dran. Der hat des Herrn Wort. Der läuft nicht seinen
selbst ausgedachten Träumen hinterher, sondern er ist dessen gewiss, was kommt.
„Ein Prophet, der Träume hat, soll Träume erzählen; wer aber mein Wort hat,
der predige mein Wort recht.“
Er, Jeremia, hat dieses
Wort, und er weiß es recht zu predigen, dieses Wort, von dem da gesagt Wird: „Ist
mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen
zerschmeißt?“
Also: Nicht allein ein Wort
ist es, das der Prophet weiß, sondern es ist ein wirkendes, ein wirksames Wort,
ein Wort, welches eintrifft, ein Wort, welches Geschichte macht….
Ja – es geht hier gewiss
nicht nur um die Anklage, die der Prophet erhebt seinen Gegnern gegenüber.
Sondern hinter diesen Worten der Anklage, da erscheint das Andere, das
Wesentliche, das allein Wichtige: Gottes Worte in seiner Wirksamkeit, Gottes
Wort welches der Prophet richtig zu predigen weiß!
Seht, liebe Freunde! Darum
geht es: Ob das, was uns gepredigt wird, ob das, was wir glauben – wahr ist,
Gottes Wort, das geschieht, das eintrifft: Oder ob wir Träume erzählen, unsere
Einbildungen, unsere Wünsche, unsere Hoffnungen, die ein Nichts sind,
lächerlich, Versprechungen, die wir uns selber machen – so wie jene Propheten
es versprochen haben: „Es wird euch wohl gehen… es wird kein Unglück über euch
kommen…“ und da ist niemand, der unsere Versprechungen halten würde! Darum geht
es, ob denn dieses Wort wirklich eintrifft, ob es wahr ist, was wir predigen
und hören. Denn gewiss: Wie es damals zu des Propheten Jeremia Zeiten
Lügenpropheten gegeben hat neben dem wahren Propheten, so wird es gewiss auch
heute nicht alles wahr sein, was da gepredigt wird, auf der Kanzel und an den
Rednerpulten und vor den Mikrophonen. Ja, vielleicht werden wir gerade darum,
wie wir dem allem mit einander misstrauen, geneigt sein Worte überhaupt nicht
mehr ernst zu nehmen.
Nein – es ist wohl da, diese
Wort, wie ein verzehrendes Feuer, ist da wie ein Hammer, der Felsen
zerschmeißt. Aber wir – werden wir es finden? Oder geht es uns wie jenem
verstockten und ungläubigen Volk zu des Propheten Jeremia Zeiten, das wohl
seine Prediger hatte, aber das eben die Prediger hatte, die es verdiente, jene
verlogenen Träumer, die meinten, sie könnten ihres Herzens Wünsche ausgeben als
Gottes Wort!
Ja – so dürfen wir es wohl
sagen: Die damals, die hatten die Prediger, die sie verdienten. Warum? Sie
wollten ja nur das hören, was ihnen passte, wollten nur das hören, was ihnen
gefiel, und das haben ihnen diese Lügenpropheten dann auch gesagt: „Denen,
die des Herrn Wort verachten: Es wird euch wohl gehen, und allen, die nach
ihres Herzens Dünkel wandeln, sagen sie: Es wird kein Unglück über euch
kommen.“
Nicht wahr, das ist es ja
wohl, was wir gerne hören wollten, bei jeder Gelegenheit, bei der Taufe eines
Kindleins oder bei der Konfirmation, bei der Hochzeit und gar am Grabe, am
Altjahresabend und bei jeder Gelegenheit, die wir sonst uns ausdenken können:
„Es wird euch wohl gehen!“
Das ist es, was gerne hören,
was uns gefällt, was uns eingeht, jenes: Es wird euch wohl gehen, in dieser
Welt und erst recht in jener Welt.
Liebe Freunde! Sehet, wenn
der Prophet die falschen, die lügnerischen Prediger anklagt, die statt Gottes
Wort ihre eigenen Träume verkünden – so genügt es nicht, wenn das wir Pfarrer
uns zu Herzen nehmen. Nein! Es gilt geradeso, das Hören zu lernen. Wie leicht
kann es geschehen, dass wir eben nur hören, was wir wollen, dass uns nur
eingeht, was uns passt! Dagegen hat sich der Prophet mit aller Leidenschaft
gewandt, dass sie Gottes Namen, dass sie sein wahres Wesen vergessen haben, und
haben ihn zum Baal gemacht, zu ihrem Häuptling! Seht, das ist die schreckliche
Gefahr, dass wir in unserem Predigen, in unserem Hören, in unserem Glauben,
Gott zum Baal machen, zu unserem Häuptling. Dann ist es vorbei mit Gottes Wort,
dann sind da nur noch unsere armen, törichten Träume und Gesichter, in welchen
wir Gott für uns in Anspruch nehmen – einen ausgedachten, unwirklichen
schillernde Seifenblase, die bei der ersten Berührung zerplatzt. Wenn wir
meine, wir müssten Gott zu unserem Häuptling machen, dann ist es wirklich aus
und vorbei, aus und vorbei mit Gottes Wort. Merken wir uns das – ein für alle
mal, bei unserm Reden und bei unserem Hören. Dass wir nicht meinen, Gott sei unser
ganz besonderer Gott, unser spezieller Herr und Freund, und wir seine
Auserwählte. Wir, zum Beispiel das deutsche Volk – denn der Herrgott
verlässt ja einen guten Deutschen nicht, wie jene bekannte und weitverbreitete
Redensart, das sagt, ein solcher Traum eines falschen Propheten - wie viele
sind es nicht, die darauf hören, die dem vertrauen. Als ob es Gott kümmerte, ob
einer ein guter Deutscher, oder ein guter Chinese oder sonst etwas sei! Nein –
Gott ist gewiss nicht der Häuptling des Deutschen oder irgendeines anderen
Volkes, welchem er seine ganz besondere Fürsorge oder Hilfe angedeihen ließe.
Er ist auch nicht der Häuptling irgendeiner sonstigen politischen Gemeinschaft,
welche er anführen würde gegen ihre Feinde, die zugleich die Gottesfeinde
wären. Nein! Gott ist auch nicht der Häuptling des Abendlandes oder der Nato.
Träume sind es, wenn wir das hören, Träume falscher Propheten, die uns
verführen möchten, dass wir Gottes Wirklichkeit vergessen!
Träume sind es, wenn wir
meinen, Gott sei der Häuptling seiner Frommen und sie müsse er schützen, sie
müsse er bevorzugen. Auch das haben wir ja schon oft genug gehört – jenes
Werben: Kommt zu uns, denn wir stehen ja unter Gottes besondern Schutz und
unter seiner besonderen Fürsorge! Träume sind das alles, die uns Gottes Wesen
verdunkeln, die uns seinen wahren Namen vergessen lassen. „Wann wollen doch
die Propheten aufhören, die falsch weissagen und ihres Herzens Trug weissagen
und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer
dem andern erzählt, wie einst ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal!“
Nein – Gott ist nicht so,
dass einer ihn besonders für sich in Anspruch nehmen könnte, dass er ihm
besondere Sicherheit geben müsste. Dass er sich besonders um ihn kümmern
müsste, dass er ihm besonders nah sein müsste. Wie gerne wir uns auch einen
solchen Gott erträumen wollten, der unser besonderer Herr ist, unser spezieller
Freund, unser Baal – unser Häuptling – das ist nicht Gott, der wahre Gott,
dessen Wort der Prophet sagt, der rechte Prediger, der nichts verschweigt, der
nicht den Leuten nach dem Munde redet, sondern der Gott so zeigt, wie er ist: „Bin
ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der
ferne ist? Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könnte, dass ich
ihn nicht sehe? Spricht der Herr, bin ich es nicht, der Himmel und Erde
erfüllt? spricht der Herr.“
Das ist Gott, dessen Wort
der wahre Prophet sagt, mit welchem man eben nicht nur traulich umgehen kann,
der liebe Gott, der es schon nicht so genau nehmen wird, der Herrgott, mit
welchem es sich schon auskommen lässt!
Nein, der wahre Gott, der
durch den Propheten redet, der zeigt uns, was wir sind. „Wenn sie in meinem
Rat gewesen wären, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von
seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.“
Das zu zeigen ist die
Aufgabe dessen, der Gottes Wort weiß: Die Bosheit zu zeigen. Das was falsch ist
und Unrecht, an einen Menschen, an einem Volk, an einem Staat. Das ist die
Aufgabe des Gotteswortes, und wohl uns, wenn wir das gleich begreifen. Wenn wir
es jetzt sehen, und nicht erst hinterher, wenn es zu spät ist, hinterher, wenn
die Zeit um ist, hinterher, am Ende der Tage, hinterher, wenn Gottes Gericht und
Strafe da ist. Darauf kommt es an, dass wir jetzt dies Wort Gottes erfassen.
Dass wir jetzt bereit sind, darauf zu hören, jetzt, wo es noch Zeit ist, jetzt,
wo noch die Möglichkeit ist, es anders zu machen. Hinterher zu sagen, dies war
nicht recht, und jenes ist Gottes gerechte Strafe – das ist nicht schwer. Gebe
uns Gott sein Wort, dass wir es jetzt begreifen, jetzt, wo es noch Zeit ist.
Amen