Rogate, 21.5.2006 Dechsendorf


116,1-5 Er ist erstanden

766 Psalm 71

Kollektengebet

Evangelium: Joh 16, 23-28.33

Glaube

344,1-3.9 Vater unser im Himmel

Predigt: Kol 4, 2-4

503, 1.2.7-9.13-15 Geh aus

Abkündigungen

Gebet und Vaterunser

Gehet hin im Frieden des Herrn Segen



Herr unser Gott!

Im Namen Jesu Christi kommen wir vor dich, um dein Wort zu hören und dir zu danken für deine Gaben.

Lass uns sehen, wie du uns nahe bist, damit wir in deiner Gnade stehen bis an unser Ende.

Durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, deinem Sohn, der mit dir und dem heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit.

Amen


Gott, durch dein Wort kommst du uns nahe, damit wir die Fülle deiner Gaben erkennen und dir danken.

Wir bitten dich für deine Gemeinde an diesem Ort und in aller Welt: Stärke uns den Glauben und gib uns die rechten Worte zur rechten Zeit, um deine Güte zu bekennen.

Hilf du allen Menschen zu ihrem Recht. Gib den Regierenden Einsicht, dass sie tun, was für uns alle gut ist. Führe du die Sache derer, die unterdrückt werden und die Gewalt erleiden.

Gib allen Menschen, was sie brauche, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.

Von deiner Güte leben wir. Darum lass uns dir danken in guten und schlechten Zeiten, bis du uns zu dir holst in dein himmlisches Reich. Amen


Liebe Gemeinde!


Rogate“ – betet! So ist der Name dieses Sonntags. Versteht sich das nicht von selbst, wenigstens bei uns, die wir christlich erzogen worden sind? Und führt nicht das Leben, unser persönliches wie unser gemeinsames Erleben immer wieder fast von selbst zum Gebet? „Not lehrt beten!“ Das ist ein einleuchtender Spruch, und jeder erinnert sich an diese und jene Situation, diese und jene Zeit seines Lebens, wo eben das an der Zeit war, zu beten. Ja, es mag sein, dass solch eine Notzeit sich mit dem Beten so verbunden hat, dass sie durch solch ein Gebet wieder erinnert wird.

Ein Nachbarskind war bei uns zu Besuch. Das ist jetzt auch wieder mehr als vierzig Jahre her. Dann abends hat meine Frau mit unseren Kindern gebetet, und selbstverständlich hat die Bärbel auch ihr Verslein aufgesagt – das Schönste, das sie wusste: „Bet, Kinder, Bet`morgen kommt der Schwed; morgen kommt der Oxenstirn, der wird euch Kinder `s betn lehr`n. Bet, Kinder, bet!“

Der schwedische Kanzler Axel Oxenstierna hat im 30jährigen Krieg nach dem Tod von König Gustav Adolf – das ist der, nachdem das evangelische Diasporawerk benannt ist – 1632. Die Schweden angeführt. Sicher, das Kind, das diesen Vers aufgesagt hat, das hat sicher weder vom 30-jährigen Krieg noch erst recht von dem Kanzler Oxenstierna etwas gewusst. Aber der Vers hat doch in sich die Erinnerung an diese Notzeit des 30-jährigen Krieges bewahrt, und wir können diese Erinnerung herbei rufen, indem wir uns einen solche Vers vergegenwärtigen (wie z.B. auch den vom Maikäfer, der dasselbe Ereignis im Blick hat). „Not lehrt beten“ – das ist uns geläufig.

Aber das ist nun nicht genug gesagt. Darauf weist unser Predigttext heute hin. Der fordert zur Danksagung auf, und dann zur Fürbitte. Ich halte mich da gerne an die Konfirmandenfrage, die ich einmal gelernt habe: Was ist das Gebet? Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung. Folgen wir unserem Predigttext, so heißt es da zuerst einmal: „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung.“ Solcher Dank ist vielleicht doch nicht ganz so naheliegend wie die Bitte. Darum muss man das ausdrücklich lernen. Wenn ein Kind etwas geschenkt bekommt, dann heißt es: Und wie sagt man? Da soll und muss dann das „Dankeschön“ kommen. Und ihr wisst, dass das zu einem kleinen Drama werden kann, wenn das Kind sich weigert, das Spiel der Erwachsenen mit zu spielen und so brav sein „Dankeschön“ zu sagen. Aber gelernt ist gelernt – danken gehört sich, wenn wir etwas bekommen, und wir können das dann noch ausführen: Das wäre aber doch nicht nötig gewesen. Danke, Gott, für deine Gaben! Die sind nötig. Ich kann das jetzt natürlich nicht so ausführen, dass ich all diese Gaben Gottes einzeln ausführe. Ich nenne einmal eines, das gerade einem alten Menschen gut tut und ihm Freude bringt. Wie schön ist dieser Mai! Wenn ich abends auf meiner Terrasse sitze, dann genieße ich diese Schönheit. Dass es wieder warm geworden ist nach dem langen Winter. Der Goldregen blüht jetzt, und ich denke fast, so habe ich das noch nie gesehen. Von dem blühenden Flieder her kommen ganze Duftwolken. Die Amsel sitzt auf dem höchsten Ast und singt ihr Lied. Schön ist das! Und einen Ast tiefer sitzt der Grünfink und versucht, mit seinem Getriller und Zwitschern gegen die Amsel anzukommen. So nehme ich das wenigstens wahr und freue mich über diesen schönen Frühling: „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung!“ Diese Mahnung konkretisiert sich mir gerade im Blick auf diese Schönheit.

Mein Gott! Ich danke dir für diese Schönheit, die du mit schenkst als deine Gabe, die mich alten Mann verwöhnt!“

So sehe ich die Mahnung zur Danksagung. Und denke, ihr könnt das ja auf eure Weise und für euch persönlich nachvollziehen. So vielfältig wir Menschen sind, und si vielfältig die Gaben sind, die uns Gottes Reichtum gewährt, so vielfältig kann und darf auch der Dank sein, den wir diesem reichen Gott entgegenbringen. Wir wissen ja, wem wir zu danken haben!“

Das ist nun allerdings nicht so selbstverständlich wie das andere: „Not lehrt beten.“ Und ich kann dazu nicht auch so ein geläufiges Sprüchlein nennen. Vielleicht: Freude an Gottes Gaben lehrt danken. Aber wie gesagt: Ganz so selbstverständlich wie die Bitte ist das nicht.

Danken – das müssen wir lernen. Nicht bloß als Kinder. Vielmehr, da lernen wir nicht aus. Und ich bin froh darüber, dass ich als alter Mensch, Zeit und Gelegenheit habe, solches Danken zu lernen und einzuüben. Zum Beispiel, um das noch einmal zu sagen: Das Danken für die Schönheit des Frühlings und dafür, dass ich Zeit habe, diese Schönheit wahr zu nehmen und zu genießen.

Solche Dankbarkeit leitet an zur Fürbitte. Der gefangene Paulus spricht davon, fordert zu dieser Fürbitte auf. Fürbitte nun in einer ganz bestimmten Hinsicht: „Dass Gott uns eine Tür auftun und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss.“ Erst in zwieter Linie fordert da der Apostel zur Fürbitte für sich selbst auf. In erster Linie geht es da um das „Geheimnis Christi“, darum, dass dieses Geheimnis bei all seiner Verborgenheit nun doch offenbar wird.

Dass ich danken gelernt habe – Gott zu danken für seine Gabe, ihm gerade auch für die Schönheit, die ich genießen darf, zu danken für den Goldregen, den Flieder, die Amsel und den Grünfink – das ist Grund genug da im Danken nicht aufzuhören. Es ist dieses Wort, dieses Geheimnis Christi, das von Paulus auf einem langen Weg bis zu uns gekommen ist, für das wir zu danken haben, und das unserem Dank begleiten soll, wo wir uns den vielfältigen Gaben Gottes zuwenden.

Not lehrt beten – und auch wo die Not längst vorbei und tiefe Vergangenheit ist wie bei den Schweden und dem Oxenstierna aus dem 30-jährigen Krieg, bleibt die Erinnerung, und die Erfahrung, dass es damals trotz allem weitergegangen ist, und wir heute darauf zurückblicken können, wenn ein Kind so ein Verslein aufsagt. Das kann anleiten, mit dem Gebet nicht aufzuhören, weiterzumachen, Not zu benennen und bei Gott um Abhilfe zu bitten.

Aber dazu braucht es doch wohl die Dankbarkeit, dass wir wissen, wo Hilfe zu finden ist, und dass wir erst recht wissen, von woher uns die Gaben zukommen, die mehr sind, als wir uns ausdenken können.

Verbindet sich die Not in unserem Kinderverslein mit dem Namen des Oxenstierna, so verbindet sich erst recht die Dankbarkeit mit dem Namen Christi, dessen Geheimnis der Apostel offenbar machen will: Es ist Gott, von dem die Gabe kommt, es ist auch Gott, von dem die Dankbarkeit kommt, die wir gelernt haben und die wir neu lernen können, und wissen dann, wem der Dank gehört, wenn unser Herz voll ist von der Schönheit dieses Frühlings, den wir gerade erleben. Amen.