Sexagesimae 29.1.1989 Nürnberg, Versöhnungskirche


336,1-4 All Morgen

Intr 5

182,1-3 Es wolle Gott

186,1-4 Singt, singt

139 Verleih uns Frieden


Hebr 4,12+13

Lk 8,4-8

Jes 55,6-13


Du, unser Gott,

durch dein wirksames Wort hast du die Welt erschaffen und erhalten bis auf diesen Tag, wir bitten dich, lass uns dein Wort vernehmen, dass wir ihm vertrauen und getröstet werden durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Hlg. Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.


Guter Gott,

lass uns deine Gedanken wissen, und geleite uns auf deinen Wegen, die zum Leben führen.

Wir bitten dich für deine Gemeinde an diesem Ort und in aller Welt: Lass sie vertrauen fassen in dein wirksames Wort und deinem Leben dienen. Wir bitten dich für unsere Schwestern und Brüder in der kath. Kirche, die leiden unter der Härte ihres Papstes: Schaff du Einsicht, Freundlichkeit und die Freiheit des Evangeliums.

Wir bitten dich für die Völker und die Regierungen, für alle, die Macht erleiden und die Macht ausüben. Gib du Gerechtigkeit und Frieden und lass allen Menschen, die deine Kinder sind, ihr Menschenrecht zuteil werden. Wir bitten dich: Wehre dem Geschäft mit tödlichen Waffen überall auf dieser Erde und bring uns miteinander dem Frieden näher.

Wir bitten dich, lass allen Menschen zuteil werden, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Wehre der Ausbeutung aller deiner Geschöpfe und bewahre alles Leben.

Besuche die Einsamen und Kranken. Geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.

Herr, im Frieden lass uns deinen Weg gehen, nach deinem Wohlgefallen. Amen.


Liebe Gemeinde,

mit Freunden ausziehen – gerne würde ich das tun. Mit Freunden ausziehen, meine Kinder und Enkel, meine guten Freunde, all die Menschen, denen es geht wie mir, sammeln und heraus gehen aus dieser babylonischen Gefangenschaft. Mit Freunden würde ich das tun, wenn ich wüsste, wohin ein solcher Auszug ginge, welches Ziel er hättte. Jedenfalls: Heraus aus dieser babylonischen Gefangenschaft, heraus aus einem Leben, das so offenkundig beherrscht wird von fremden Göttern. Ich hänge da ja mit drin, ich bin da ja mit dabei, ich lebe ja davon, wie jeder andere in dieser babylonischen Gefangenschaft. Aber nicht mein Gott, nicht unser Gott regiert da und wird da verehrt. Die regieren offenkundig, die verehrt werden, offenkundig: Das ist das Geld und das ist der Tod.

Freilich sagt das bei uns keiner so offen und direkt. Damals die Juden in ihrer babylonischen Gefangenschaft, an die dieses Prophetenwort zuerst ergangen ist, die haben den Götzendienst handgreiflich und ausdrücklich erlebt, die Verehrung der Gestirne, die Verehrung der Macht, die Verehrung der Sexualität als der Götter, die da Leben verhießen und scheinbar auch Leben gewährten. Bei uns sagt man nicht Gott. Dazu ist sie noch zu sehr geprägt von ihrer religiösen Herkunft, unsere Gesellschaft. Aber was dann herrscht, das sind jene Mächte, die ich nun so benenne: Das Geld und der Tod; der Tod und das Geld. In den unsäglichen Geschäften, die in den letzten Wochen unsere Medien beherrschen, mit dem Giftgas, das im Irak gekocht wurde, und das nun auch in Libyen gekocht werden soll, den Tornados, die verkauft werden müssen, egal wohin, ob nach Jordanien oder Südkorea, damit sich der Bau dieser Todesmaschinen auch lohnt, die wir alle kennen – da kommt etwas zum Vorschein von der Verbindung dieser beiden Götter, die uns beherrschen, Geld und Tod.

Aber ich könnte ja auch auf anderes zeigen: Auf unsere zubetonierte Erde, auf die sterbenden Wälder, die überdüngten Felder, die verunreinigte Luft: Geld und Tod – und ich hänge drin. Ich will ja leben, jeder von uns an seinem Platz will leben und muss leben. Und keiner kann anders leben in dieser babylonischen Gefangenschaft als dass er sich eben auf seine Weise mit dieser Herrschaft arrangiert, mit dem Geld und dem Tod arrangiert – weil er leben will und leben muss.

Gerne, mit freunden wollte ich ausziehen, meine Kinder und meine Enkel, meine guten Freunde und alle, die mit mir eines Sinnes sind, versammeln und heraus gehen aus dieser babylonischen Gefangenschaft, heraus aus der Herrschaft dieser Götter, denen ich nicht dienen will, Geld und Tod. Wenn ich nur wüsste, wohin da der Weg gehen sollte! Ich weiß nur: Da muss sich etwas ändern, vieles muss sich ändern, ganz und gar muss sich dieses Babel, diese götzendienerische Stadt und Gesellschaft verändern, wenn nicht schließlich der Tod das letzte Wort haben soll, sondern das Leben! Veränderung braucht es, wie wir das auf Russisch schon ganz geläufig sagen können, Perestroika, zum Leben hin. Das weiß ich wohl. Und bin dankbar, mitten in diesem Babel doch das eine oder andere Zeichen solcher Veränderung zu entdecken. Zum Beispiel dies, dass sie angefangen haben, wenigstens ein paar von diesen Todesgeräten, von diesen Atomraketen zu verschrotten. Ich erinnere mich wohl noch, wie wir gegen die Nachrüstung demonstriert haben, geredet haben, Menschenketten gebildet haben, gefastet haben: Ohnmächtig, weil wir sehen mussten, wie doch kam, was wir verhindern wollten. Wer hätte vor acht und sehchs und fünf jahren gedacht, dass da sich etwas änderte, und dass diese Veränderung ausgerechnet in Moskau und aus Moskau auf den Weg käme. Gott sei Dank, für solche Zeichen des Lebens.

Heißt das vielleicht, dass der Auszug aus der babylonischen Gefangenschaft schon begonnen hat, der Auszug aus dem Machtbereich der Götter, die in unserem Babel herrschen, Geld und Tod? Oh ja! Mit Freuden würde ich ausziehen – wenn ich nur wüsste, wohin. Die Juden damals in der babylonischen Gefangenschaft, die kannten das Ziel, auf das sie der Prophet verwies: Ihre Heimat, das zerstörte Jerusalem, der Zion, den es neu zu bauen galt. Und manchmal singe ich mir das auch vor als Trost und Vergewisserung: „Jerusalem, du hoch gebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir ….“

Aber es geht doch nicht zuerst um mich alten Mann, der sein Leben zum größten Teil hinter sich hat. Meine Kinder, meine Enkel, meine guten Freunde, gerade die Jungen, sie wollen leben und sollen leben. Und geht das anders als so, dass einer sich eben einrichtet? Als der Prophet damals die Juden in ihrerr babylonischen Gefangenschaft auf den Weg bringen wollte, nach der Heimat, nach dem Zion hin, da werden sie ihm den Brief gezeigt haben, den ihre Eltern fünfzig Jahre vorher von dem Propheten Jeremia erhalten hatten: Im Namen Gottes waren sie da dazu aufgefordert worden, sich einzurichten in ihrer babylonischen Gefangenschaft: Wir kennen den Kernsatz dieses Briefes: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich der Herr euch habe wegführen lassen, und bittet für sie zum Herrn; denn wenn's ihr wohl geht, so geht’s euch auch wohl.“ Daran halten wir Christen uns, und man hat uns ja auch lange angewiesen, uns daran zu halten, Gehorsam denen, die nun einmal das Sagen haben (der Obrigkeit). Aber geht das dort, wo nun doch offenkundig Geld und Tod das Sagen haben! Lästerlich wäre das doch, wenn ich betete: Lieber Gott, hilf, dass unsere Industrie noch viele Tornados und Giftgasfabriken verkaufen kann, damit Geld ins Land kommt und es uns allen wohl geht! Das kann ich nicht, nicht ausdrücklich, aber auch nicht heimlich. (Vers 6,7!)

Darum sage ich ja: Mit Freunden würde ich ausziehen – wenn ich wüsste, welches Ziel ein solcher Auszug hat. Aber ich kann es nicht sagen. Darum ist mir gerade das ein starker Trost, wenn ich mir's vorsagen kann: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege ….

Jawohl! Ich wüsste gerne wohin der Auszug gehen soll, und würde Ihnen gerne sagen, wie die Veränderung aussehen muss, wenn wir nicht zuletzt alle miteinander unter der Herrschaft dieser Babelgötter, des Geldes und des Todes, zugrunde gehen sollen. Ich weiß es nicht. „Denn meine Gedanken ….“ Aber das heißt ja nicht nur, dass ich es nicht weiß; es heißt auch, das er, Gott, es weiß.

Und es heißt, dass sein Lebenswort schon unterwegs ist, sein lebendiges und wirksames Lebenswort. „Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ Gott sei Dank, dass nicht die Götzen in Babel das Sagen haben, das Geld und der Tod, sondern dieser lebendige Gott und sein mächtiges und wirksames Wort. Zeichen sehen wir, unerwartet und wunderlich, wie diese Moskauer Perestroika.

Darum kann ich darauf trauen, dass er kommen wird, dieser Auszug: „Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.“ Ausmalen müssen wir uns das, damit wir uns nicht zufrieden geben damit, dass es sich uner der Herrschaft dieser Götzen Tod und Geld doch bisher auch ganz gut leben lässt. Leben! Das ist dort, wo das lebendige Gotteswort den Auszug aus unserer babylonischen Gefangenschaft ansagt. Sie kennen den Kindinger Berg! Und die toten Bäume, immer mehr und mehr. Gottes Wort bringt das Leben, und das Gottesvolk ist mit dabei. Das haben wir zu erwarten. Schön ist das, und gut ist das. Amen.