Karin Ulrich-Eschemann Gottesdienst zur Woche für das Leben 2005 „Mit Kindern – ein neuer Aufbruch“ am 12.06.05
in der Martin-Luther-Kirche in Erlangen - Solo-Lied: Sind so kleine Hände - Lesung: Ps 8 - Lied: Herr unser Herrscher 270 Predigt „Wenn ich sehe den Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast, was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Was ist der Mensch? Das haben viele erwachsene Philosophen und Forscher gefragt, was ist das Besondere am Menschen, sein Verstand, die Sprache? Auch heute beantworten viele die Frage, wann ein werdender Mensch anfängt, Mensch zu sein, damit, dass sie sagen, wenn sein Hirn entwickelt ist oder so ähnlich. Und da hat man an die erwachsenen Menschen gedacht, die kleinen Kinder waren gar nicht im Blick. Sie hatten erst mal erwachsen zu werden und sich das Besondere am Menschsein erst zu erwerben. Oder sie mussten erst mal richtig zu Menschen erzogen werden. Ganz anders redet dieser Psalm. Zunächst einmal gilt das, dass jeder Mensch ein Kind von Menschen ist. Das zeichnet ihn aus. Jeder Mensch hat als Kind angefangen, als werdender Mensch im Mutterleib. Und es zeichnet ihn als Menschen aus, dass Gott in besonderer Weise der Menschen gedenkt, sich ihrer annimmt. Nicht, dass der Mensch so großartig ist und so vieles Großartige hervorbringt und sich damit Gottes Gedenken verdient. Es ist der Mensch als des Menschen Kind, an den Gott denkt, weil er es so will. Der Mensch bekommt einen Auftrag vom Schöpfer, der aber selbst der Herr bleibt und bleiben will, nicht aber den Menschen eingesetzt hat zum absoluten Herrscher über die Natur, die andere Kreatur, die Menschen und die Welt, und nicht zum Herrn über die kleinen Geschöpfe, dass er meint, sie sind in seinem Besitz, er darf über sie herrschen. Nein, wir sind die Freunde Gottes und seine Gehilfen – so haben wir es im Lied gesungen. Auch die Kinder sind uns Erwachsenen anvertraut und wir bekommen von Gott den Auftrag, uns fürsorglich und liebevoll um sie zu kümmern, mit ihnen zusammenzuleben und sie hilfreich ins Leben einzuführen und sie zu begleiten. Gott ist und bleibt der Herr, er ist der Erschaffer der Kinder und der sie liebende Vater. Wenn heute in unserer Gesellschaft über Kinder geredet wird, dann meistens kritisch und moralisch. Der Kindermangel wird beklagt und es wird nach Schuldigen gesucht. Wir sehen die Erziehungsprobleme und labile und gestörte Familien, überstrapazierte Lehrer, Mütter, die sich zwischen Haushalt, Kindererziehung und Berufstätigkeit zerreißen. Als wir zusammensaßen und miteinander sprachen, haben wir uns zunächst mal lange Zeit über das Glück mit Kindern und die Freude an Kindern unterhalten, über das, was kleine Kinder an uns als Erwachsenen bewirken, wenn wir uns denn auf sie einlassen, wenn wir wirklich mit ihnen leben und sie ernst nehmen. Es geht also um das Leben mit Kindern im hier und jetzt, den kleinen und den großen Kindern. Unser Gespräch ist dann unmerklich übergegangen in ein Nachdenken über Kinder, unser Verhalten Kindern gegenüber, unsere bewahrende und erzieherische Aufgabe gegenüber Kindern. Kinder brauchen Schutz, sie sind verletzlich, so hörten wir es auch in dem Lied von Bettine Wegener. Eine von uns sagte: Kinder kommen mir manchmal „verwirrt“ vor, weil sie nicht wissen, wo sie zuhause sind und was die Welt um sie herum ausmacht. Wir müssen die Welt so zur Sprache bringen, dass sie ihnen zu einer heilsamen Ordnung wird, heimatlich und zuverlässig. Wir müssen das Natürliche mit Kinder zurückgewinnen, sie nicht einerseits überhäufen mit Aufmerksamkeit und Geschenken und sie andererseits allein mit sich lassen. Das Natürliche zurückgewinnen, dazu gehört auch, dass Eltern und Kinder böse sein können. Das wir Dinge tun, die vergeben werden müssen. Kinder sind nicht nur die Opfer und Eltern die Täter und auch nicht umgekehrt. Kinder lieben, das heißt, wirklich mit Kindern leben. Wir dürfen Kinder Kinder sein lassen, wir brauchen sie nicht zu früh zu Erwachsenen zu machen, wir müssen sie nicht zu früh einem Leistungsdruck aussetzen, damit sie nur ja den Anschluss in der Erwachsenenwelt nicht verpassen. Kinder sind neugierig, sie wollen lernen und sie können manchmal schon erstaunlich viel. Die Pädagogik ist hier leider oft von einem Extrem ins andere gefallen. Einmal sollen die Eltern die Freunde der Kinder sein, dann wieder Autoritätspersonen. Nun, die Eltern bleiben die Eltern und damit auch die Älteren. Wozu sind Kinder überhaupt gut? Sollen sie unserem Leben Sinn verleihen? Nehmen sie uns nicht Zeit weg, zu viel Zeit in Anspruch, kosten zu viel Geld? Schränken sie die Eltern nicht zu sehr ein in ihrer Selbstentfaltung? Legen sie nicht die Frauen auf eine bestimmte Rolle fest? Dem allen könnte man entgegenhalten: Kinder erweitern unsere Zeit, machen unsere persönliche Lebenszeit voller und länger, machen unser Leben reicher. Der Psalm gibt uns hier eine ganz andere Perspektive als diese Fragen, wenn Gott ins Spiel kommt. Gott will Kinder – ganz eigennützig: Kinder loben den Schöpfer, der sie geschaffen hat, schon allein durch ihr Dasein, ihr Lallen und Geschrei. Es ist gewiss ein starker Satz in unserem Psalm: „Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen, dass du vertilgest den Feind und den Rachgierigen. „ Und diesen Satz zitiert Jesus selbst beim Einzug in den Tempel in Jerusalem. Die Schriftgelehrten werfen ihm vor, dass die Kinder schreien „Hosianna, dem Sohne Davids.“ Die Kinder wissen, wer er ist, sie rufen es ihm zu. Nicht die, die die Schrift kennen – die Gelehrten. Und so sagt es der Liederdichter: „Kinder und Säuglinge künden dein Lob, spotten der Übermacht all deiner Feinde.“
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